Die idiopathische Skoliose ist eine Erscheinungsform der Skoliose. Skoliose ist eine normwidrige Verbiegung der Wirbelsäule, die auch immer mit einer Verdrehung der Wirbelsäule einhergeht. Das Wort „Skoliose“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet auf Deutsch „Krümmung“.
Bei einer Skoliose weicht der Verlauf der Wirbelsäule von ihrer natürlichen Längsachse seitlich ab. Meistens weist diese seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule mehrere gegenläufige Bögen auf.
Zur Aufrechterhaltung des körperlichen Gleichgewichts versucht der Körper gegenzusteuern. Dabei kommt es unweigerlich zu
- Verdrehungen,
- Reibungen und
- Verformungen
von einzelnen Wirbelkörpern, da der Ausgleich einzig über die Muskeln nicht mehr gelingt.
Die Wirbelsäulenverformung einer Skoliose bildet sich bereits im Kindheits- oder Jugendalter aus. Besonders während Phasen ausgeprägten Wachstums, z.B. in der Pubertät, kommt es zu weiteren Verkrümmungen.
Soweit möglich, richtet sich die Bestimmung der einzelnen Skoliose-Typen nach
- deren Ursache,
- dem Zeitpunkt ihrer Entstehung,
- der Lage und Art der Krümmung,
- dem jeweiligen Grad der Krümmungswinkel und nach
- dem Ausmaß der verbliebenene Flexibiltität (Beweglichkeit) der verschiedenen Krümmungen.
Beim sogenannten Krümmungsmuster unterteilen Mediziner in
- C-förmige Skoliosen,
- S-förmige Skoliosen und
- Doppel-S-Skoliosen.
Darstellung verschiedener Formen von Skoliose © sumaki | AdobeStock
Ursachen für angeborene Skoliosen sind vor allem fehlgebildete Wirbelkörper und Wirbelkörperteilstrecken. Auch neuromuskuläre Störungen mit einer Beeinträchtigung der Signalübertragung für die Muskelfunktion können Skoliose ausösen. Darüber hinaus sind manchmal nicht behandelte Beinlängendifferenzen die Ursache für die Bildung einer Skoliose. Letztere kann das Fortschreiten der Erkrankung auch beeinflussen.
Im Rahmen der Diagnose versuchen die Mediziner, die Ursache für den individuellen Fall herauszufinden. Dabei kommen klinische und radiologische Untersuchungsmethoden zum Einsatz.
Lässt sich dabei keine Ursache für die Skoliose erkennen, spricht der Arzt von einer idiopathischen Skoliose.
Der wie „Skoliose“ aus dem Altgriechischen stammende Begriff „Idiopathie“ bedeutet auf Deutsch „Eigenleiden". Eine idiopathische Skoliose ist somit ein eigenständiger Krankheitszustand ohne bekannte auslösende Ursache.
Je nach Zeitpunkt des Auftretens der idiopathischen Skoliose (IS) unterscheiden Mediziner drei Formen:
- Infantile idiopathische Skoliose (IIS): Auftreten bis zum 3. Lebensjahr
- Juvenile idiopathische Skoliose (JIS): Auftreten zwischen dem 4. und 10. Lebensjahr
- Idiopathische Adoleszenzskoliose (AIS): Auftreten ab dem 11. Lebensjahr
Der Höhepunkt des Auftretens einer idiopathischen Skoliose liegt im Alter zwischen 10 und 12 Jahren. Die infantilen und juvenilen Skoliosen werden auch in den ‚Early-Onset‘ Skoliosen zusammengefasst.
Eine erst im Erwachsenenalter diagnostizierte Skoliose kann eine bisher unentdeckte, aber fortbestehende idiopathische Adoleszenzskoliose sein. Es könnte sich aber auch um eine degenerative Erwachsenenskoliose handeln (De novo Skoliose). Diese Form von Skoliose wird durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule beziehungsweise Wirbelkörper verursacht.
Die idiopathische Skoliose zeigt die gleichen Symptome wie eine herkömmlichen Skoliose. Diese sind auf den ersten Blick erkennbar:
- schiefer Rücken
- Beckenschiefstand
- unterschiedliche Schulterhöhen
- hervorstehendes Schulterblatt
- schief gehaltener Kopf
- Asymmetirscher Taillierung oder Mamillenstang
Die Symptome treten nicht zwingend gleichzeitig auf, und sie müssen auch nicht alle zwingend auftreten.
Zu Beginn verursacht eine idiopathische Skoliose häufig keine Schmerzen und bleibt unbemerkt. Die fehlgebildete Wirbelsäule führt nach abgeschlossenem Körperwachstum mit der Zeit zu weiteren Verformungen oder Abbauprozessen. Dann klagen Patienten mitunter über
- Verspannungen und Schmerzen im oberen und unteren Rückenbereich sowie
- Bewegungseinschränkungen.
Eine gerade Rückenhaltung fällt Patienten zunehmend schwerer. In fortgeschrittenen Fällen ist längeres Stehen und Gehen erschwert und die Funktionalität der Patienten deutlich eingeschränkt.
Bei stärkerer Wirbelsäulenverkrümmung kann sich der Brustkorb verformen oder verengen. Dann kann es zu Funktionsstörungen von Herz und Lunge kommen. Obendrein können bei starker Skoliose die unteren Rippen und der Beckenkamm einander schmerzhaft berühren.
Eine idiopathische Skoliose muss nicht unbedingt Beschwerden verursachen, wenn sie nicht sehr ausgeprägt ist. Die Diagnose wird dann häufig als Zufallsbefund gestellt, d.h. im Rahmen von Untersuchungen aus anderem Anlass.
Bei Verdacht auf eine idiopathische Skoliose untersucht der Arzt die Rückenpartie des stehenden Patienten. Er kontrolliert auch die Beine auf unterschiedliche Längen. Beinlängendifferenzen werden im Liegen und im Stehen analysiert.
Als weiteres wichtiges Untersuchungsmittel dient der Adams-Vorbeugetest: Der Patient wendet dem Arzt weiterhin den Rücken zu und beugt sich im Stehen nach vorn. Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Wirbelsäule sowie der davon abgehenden Rippen treten bei diesem Test verstärkt hervor.
Eine Röntgen-Untersuchung der Wirbelsäule in der Frontalebene und in der Seitebene sichert den Diagnosebefund ab.
Wirbelsäulenganzaufnahmen ermöglichen durch Abbildung der Beckenkämme auch die Beurteilung des sog. knöchernen Reifestatus der Patienten. Dabei werden die unterschiedlichen Krümmungsarten analysiert:
- Hauptkrümmung: stärkste Wirbelsäulenabweichung
- Nebenkrümmung: korrigierende Abweichung über und unter der Hauptkrümmung
- Neutralwirbel: Krümmungsrichtungswechsel = Wendepunkt der Krümmung
Beurteilt werden zudem
- die Balance der Wirbelsäule in beiden Ebenen,
- die Rotation der Wirbelsäule in der Frontalebene und
- die Form der Wirbelsäule in der seitlichen Ebene.
In der Auswertung des Röntgenbildes misst der Arzt über den Cobb-Winkel den Grad der bestehenden Wirbelsäulenverkrümmung. Der Cobb-Winkel umfasst einen Messbereich von 10° für leichte Abweichungen bis 30° – und vereinzelt mehr – für schwere Verkrümmungen.
Dabei fällt auf: Je höher der Cobb-Winkel ausfällt, desto stärker betrifft er Mädchen und Frauen. Weibliche Patienten sind etwa siebenmal häufiger von einem Cobb-Winkel von 30° betroffen.
Leichte idiopathische Skoliosen mit einem Cobb-Winkel unter 10° sind noch nicht behandlungsbedürftig. Es ist allerdings sinnvoll, eine bekannte Skoliose regelmäßig zu kontrollieren. Ansprechpartner zur Behandlung einer Skoliose sind Orthopäden, am besten ein Spezialist für Wirbelsäulenverkrümmungen.
Für Skoliosen von maximal 20° genügt eine ärztliche Kontrolle alle 6 Monate. Gegebenenfalls werden auch Röntgenaufnahmen angefertigt.
Bei Skoliosen von 20-30° aufwärts ordnet der Arzt weiterhin regelmäßige Kontrolluntersuchungen an. Außerdem kann er den Einsatz eines Korsetts empfehlen. Hierbei gilt, je konsequenter das Korsett getragen wird, desto effektiver ist seine Wirkung!
Gute Erfolge bei einer stark ausgeprägten idiopathischen Skoliose verspricht eine operative Korrektur.
Hierbei führt der Wirbelsäulenchirurg eine Versteifung der verantwortlichen Wirbelsäulenabschnitte durch.
Das bedeutet, dass die betroffenen Wirbelkörper in ihrer Position korrigiert und danach fixiert werden. Dadurch ist die Wirbelsäule begradigt. Der Nachteil ist aber, dass die fixierten Wirbel nicht mehr beweglich sind. Patienten müssen also mit etwas eingeschränkter Beweglichkeit rechnen. Deswegen gilt als höchster Grundsatz: Stets so kurz wie möglich und nur so lange wie nötig.
Versteifung betroffener Wirbelsäulenabschnitte © stockdevil | AdobeStock
Die sog. dynamische Skoliosekorrektur kommt bei Kindern mit ausgeprägten Skoliosen (40-60°) zum Einsatz. Der Arzt setzt dabei sogenannte Wachstumsstäbe ein, die sich an das Wachstum des Kindes anpassen können.
Der gewählte Chirurg sollte besondere Schwerpunkte und Erfahrungen im Bereich der Skoliosechirurgie vorweisen. Suchen Sie am besten nach einem Spezialisten für Skoliosechirurgie.
Eine stark ausgeprägte idiopathische Skoliose belastet zahlreiche Betroffene auch seelisch. Eine Psychotherapie als ergänzende Behandlung baut auf und hilft beim weiteren Umgang mit der Erkrankung.
Sowohl mit konservativen als auch mit operativen Therapien können heutzutage exzellente Ergebnisse erreicht werden. Funktionalität, Ausbildung und Berufsleben sollten nur selten signifikant eingeschränkt sein.
Wichtig für gute Ergebnisse mit Skoliose und nach einer Skoliosetherapie ist der Aufbau einer starken Muskulatur. Sie ist essentiell für einen effizienten Stütz- und Bewegungsapparat. Hier helfen
- Physiotherapien,
- ausreichend Bewegung und
- Fitness-Studios,
um ungünstigen Verläufen und Beschwerden mit zunehmenden Alter vorzubeugen.
Die idiopathische Skoliose tritt in unterschiedlicher Ausprägung von Wirbelsäulenverkrümmungen auf. Anfangs bereitet sie oft keine Beschwerden und ist eher ein Zufallsbefund. Spätere Beschwerden zeigen sich insbesondere durch Schmerzen am unteren Rücken sowie beim längeren Stehen und Gehen.
Unsere moderne Medizin hält für Patienten hilfreiche Behandlungsmethoden bereit. Die fachärztlichen Therapien ermöglichen von einer idiopathischen Skoliose Betroffenen auch langfristig eine lohnende Lebensqualität.