Bei 20 Prozent der Kinder im Vorschulalter und 50 Prozent der Kinder am Ende der Grundschulzeit sind Kopfschmerzen bereits aufgetreten. In der Pubertät steigt die Häufigkeit weiter: Bis zum 12. Lebensjahr haben 9 von 10 Kindern Kopfschmerzen in unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität erfahren. Wiederkehrende Kopfschmerzen führen zu Konzentrationsproblemen und beeinträchtigen nicht nur die schulischen Leistungen, sondern auch die Lebensfreude des Kindes und sein soziales Verhaltens.
Ebenso wie im Erwachsenenalter sind Spannungskopfschmerzen eine der häufigsten Ursachen von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter. Die Ursachen sind variabel und können von
- schulischem Druck,
- mangelnder Bewegung,
- ungünstiger Haltung (langes Sitzen, Nutzung von PC/Tablet etc.) bis hin zu
- Mangel an Erholungszeiten sowie
- Schlafmangel
reichen. Bei Jugendlichen kommt neben dem Schuldruck auch das Risiko des Sozialdrucks aus Peergroup und Schule hinzu.

Auch migräneartige Kopfschmerzen sind schon im Kindesalter möglich, insbesondere, wenn weitere Familienmitglieder von einer Migräne betroffen sind. Im Kindesalter sind die typischen Migränesymptome oftmals noch nicht voll ausgebildet, auch finden sich Mischbilder zwischen Spannungskopfschmerzen und Migräne.
Seltenere Kopfschmerz-Formen sind der Cluster-Kopfschmerz sowie der medikamenteninduzierte Kopfschmerz. Bei letzterem führt die zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln zu einer veränderten Schmerzempfindlichkeit des Gehirns. Schließlich werden auch nicht schmerzhafte Reize als Schmerzen empfunden.
Von diesen so genannten primären Kopfschmerzen sind sekundäre Kopfschmerzen abzugrenzen. Von sekundären Kopfschmerzen spricht man, wenn die Kopfschmerzen Symptom/Folge einer anderen zugrundeliegenden Erkrankung sind. Um zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen zu unterscheiden, ist auch im Kindes- und Jugendalter eine eingehende Diagnostik unbedingt erforderlich.
Spannungskopfschmerzen
Bei Spannungskopfschmerzen werden in der Regel auf beiden Seiten des Kopfes, häufig im Stirnbereich Schmerzen empfunden. Die Kinder beschreiben einen meist drückenden Schmerz, der zum Teil von Übelkeit, in der Regel aber ohne Erbrechen, begleitet wird. Insbesondere jüngere Kinder können bei Kopfschmerzen ihre Beschwerden häufig nicht eindeutig benennen und geben stattdessen Bauchschmerzen an. Weitere mögliche Anzeichen für Spannungskopfschmerzen ist eine veränderte Stimmung. Ein Teil der Kinder wird reizbar und quengelig, andere ziehen sich zurück und wirken teilnahmslos. Möglicherweise greift sich das Kind auch nur an den Kopf.
Migräne
Die Kopfschmerzen bei einer Migräne haben häufig einen pulsierenden, stechenden Charakter und sind bei Jugendlichen meist einseitig lokalisiert, bei kleineren Kindern meist noch beidseitig. Die Schmerzintensität ist mittel bis sehr stark und begleitend treten Übelkeit und Erbrechen und/oder Lichtempfindlichkeit (Photophobie) oder Geräuschempfindlichkeit (Phonophobie) auf. Bei Erwachsenen dauert eine Migräneattacke unbehandelt oder erfolglos behandelt mindestens 4 Stunden, bei Kindern auch kürzer. Bei körperlicher Aktivität nehmen die Schmerzen zu.
Clusterkopfschmerzen
Die im Kindesalter seltenen Clusterkopfschmerzen präsentieren sich als plötzlich auftretende stärkste Kopfschmerzen, die streng auf einer Seite des Kopfes, meist im Bereich der Schläfe und hinter dem Auge lokalisiert sind. Die Patienten beschreiben sie als reißenden, bohrenden Schmerz.
Bei nur milde und vereinzelt auftretende Kopfschmerzen reicht häufig Ruhe, Zuwendung und eine erhöhte Trinkmenge.
Sofern die Kopfschmerzen erstmalig, plötzlich und heftig eingesetzt haben oder wenn begleitend hohes Fieber besteht und/oder das Kind den Nacken nicht beugen kann, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden. Eine ärztliche Untersuchung ist ebenfalls bei ungewöhnlichen Begleitsymptomen wie z.B. Schwäche eines Armes/Beines, Seh- und Sprachstörungen oder Benommenheit umgehend erforderlich. In diesen Fällen ist zu bedenken, dass Kopfschmerzen auch Symptom einer anderen Erkrankung sein können.
Bei Kindern/Jugendlichen mit häufig auftretenden Kopfschmerzen ist eine kinderneurologische Diagnostik wichtig, um eine korrekte Kopfschmerzdiagnose zu stellen. Nur so kann ein individuell passendes Behandlungskonzept eingeleitet werden.
Ein Grundpfeiler der Kopfschmerzdiagnostik ist die Erhebung der ausführlichen Vorgeschichte des Kindes, einschließlich bisheriger Entwicklung und Vorerkrankungen, sowie eine spezielle Schmerzanamnese mit Einsatz von Fragebögen und eines Kopfschmerzkalenders.
Der zweite Grundpfeiler der Diagnostik ist eine ausführliche neurologische Untersuchung des Kindes und ggf. weiterführende Diagnostik wie eine Elektroenzephalographie (EEG). Zusätzliche Untersuchungen wie eine zerebrale Bildgebung (MRT) sowie eine Vorstellung beim Augenarzt, HNO-Arzt oder Orthopäden werden je nach erhobenem Befund veranlasst.
Risikofaktoren für insbesondere Spannungskopfschmerzen sind häufig in den vollen Tagesabläufen der Kinder zu finden mit sowohl schulischem Stress als auch dem eigenen hohen Erwartungsdruck der Kinder/Jugendlichen und/oder der Eltern. Weitere Risikofaktoren sind u.a. eine geringe Trinkmenge und körperliche Inaktivität. Bei Kindern mit einer Migräne kommt zudem eine familiäre Belastung für Migräne hinzu. Auch allgemeine psychische Belastungsfaktoren können sowohl im familiären Umfeld als auch in der Schule entstehen.
Günstig bei Kopfschmerzen aller Art wirkt sich ein regelmäßiger Lebensrhythmus mit auch tatsächlich freier Zeit ohne Programm aus.
Im Vordergrund der Therapie steht zunächst die genaue Analyse des Kopfschmerzkalenders, um mögliche Auslöser von Kopfschmerzen zu erkennen und diese mit der Familie zu besprechen. Therapeutisch helfen häufig schon erste Anpassungen im Wochenplan des Kindes. Je nach Intensität bei Beginn können bei Auftreten von Kopfschmerzen zunächst allgemeine Maßnahmen wie
- Ruhe,
- Hinlegen in einem abgedunkelten Raum,
- Kühlen der Stirn und z.B.
- Einmassieren von Pfefferminzöl an Schläfe, Stirn und Nacken
die Schmerzen lindern. Häufig schlafen die Kinder unter diesen Maßnahmen ein und erwachen schmerzfrei.
Die medikamentöse Akutbehandlung ist abhängig vom Alter des Kindes und dem Kopfschmerztyp zu wählen. Bei sehr häufig auftretenden Kopfschmerzen (meist bei Migräne) ist im Einzelfall auch eine prophylaktische medikamentöse Behandlung zu erwägen.
Entscheidend in der Therapie ist meist die konsequente Anpassung des Lebensrhythmus mit regelmäßigem Schlafrhythmus, Stressreduktion und Vermeidung von Risikofaktoren. In vielen Fällen kann auch die prophylaktische Einnahme von natürlichen Stoffen wie z.B. Magnesium oder das Erlernen von Entspannungstechniken oder eine spezielle Physiotherapie die Kopfschmerzfrequenz signifikant reduziere.
Das Ausmaß der Kopfschmerzen bei Kindern und die Auswirkung auf die Lebensqualität der Kinder werden oft von ihrem Umfeld unterschätzt (Familie, Lehrer, Freunde). Auch besteht bei chronischen Kopfschmerzen ein statistisch erhöhtes Risiko für weitere Schmerzdiagnosen, sowie ein signifikant erhöhtes Risiko für affektive Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen. Da häufige Schmerzen im Kindes- und Jugendalter einen Risikofaktor für chronische Schmerzen im Erwachsenenalter darstellen, ist ein früher Behandlungsansatz mit Entwicklung präventiver Strategien von größter Bedeutung.