Die distale Radiusfraktur (ICD-Code: S52.5) wird im Volksmund auch Handgelenkbruch bezeichnet. Eigentlich handelt es sich um einen Bruch (medizinisch Fraktur) der Speiche, die im Fachausdruck auch Radius genannt wird. Die Elle (Ulna) als der zweite Unterarmknochen ist bei der Radiusfraktur nicht verletzt, andernfalls spricht man von einer distalen Unterarmfraktur.
Distal und proximal sind Bezeichnungen, durch die Extremitäten genauer klassifiziert und eingeteilt werden. Hierbei steht
- distal für körperfern (beim Arm näher an den Fingern) und
- proximal für körpernah (beim Arm näher an der Schulter).
Das Besondere an der distalen Radiusfraktur ist, dass das Handgelenk oft mit betroffen ist und sich hieraus das Risiko einer Störung der Handgelenksbeweglichkeit ergibt. Die distale Radiusfraktur unterscheidet sich von einer einfachen Radiusfraktur
- hinsichtlich des Bruchortes
- und in Bezug auf die Behandlung.
Wenn der Speichenbruch das Handgelenk beeinträchtigt oder schädigt, muss in der Regel operiert werden.
Eine konservative Behandlung, also die einfache Gipsruhigstellung ohne Operation, ist nur bei sehr einfachen Brüchen möglich (einfache Radiusfraktur). Sie bietet sich allerdings an, wenn die Speiche ohne Fehlstellung und Beeinträchtigung der Gelenke gebrochen ist.
Die Speiche (Radius) ist einer der beiden Unterarmknochen © FGWDesign | AdobeStock
Eine distale Radiusfraktur entsteht ausnahmslos durch einen Unfall, am häufigsten den Sturz auf die ausgestreckte Hand. Bei dieser häufigen Knochenverletzung treten zudem Schmerzen im betroffenen Abschnitt, sprich im Bereich des Handgelenks, auf. Diese sind direkt nach dem Unfallereignis oft noch gering ausgeprägt und verstärken und verschlechtern sich durch die zunehmende Schwellung und Ausbildung eines Blutergusses.
Außerdem kommt es zu einer deutlichen Einschränkung der Beweglichkeit des Handgelenks, was auf die meist ausgeprägte Schwellung und Schmerzen zurückzuführen ist. Auch eine zunehmende Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen bei Druck auf das Gelenk sind typische Zeichen einer Handgelenksfraktur.
Außerdem kann der betroffene Arm oft nicht mehr so viel Kraft aufbringen wie normal. Zusätzlich können Gefühlsstörungen entstehen, zum Beispiel, wenn aufgrund der Fraktur ein Nerv abgeklemmt oder eingeengt wird.
Schließlich kann je nach Schwere des Bruchs auch eine Fehlstellung sichtbar sein, was dem Handgelenk ein abnormes Aussehen verleiht.
Im Extremfall zeigen sich offene Hautverletzungen und freiliegende Knochenanteile, hier spricht man auch von einer „offenen Fraktur“. Diese ist sehr schwerwiegend und grundsätzlich eine Indikation für operative Therapieverfahren.
Die Symptome nochmal zusammengefasst im Überblick:
- Druckschmerz
- Schmerzen bei Bewegung
- Schwellung des Unterarms beziehungsweise des Handgelenks
- mögliche Fehlstellung
- Funktionsstörungen
- Kraftminderung
- Empfindungsstörungen
- Hautverletzungen und freiliegende Knochenteile
Frakturen der Speiche resultieren meistens aus dem Abfangen eines Sturzes nach vorn mit den Händen. Beim Sturz strecken die meisten Menschen ihre Hände instinktiv nach vorn, um nicht aufs Gesicht zu fallen. Je nach Fallwinkel, Schwere des Aufpralls und Geschwindigkeit hat ein Sturz schnell einen Bruch zur Folge. Bei jüngeren Menschen sind meist schwere Sturzereignisse beim Sport ursächlich. Vor allem
- Kontaktsportarten wie Fußball, Handball oder Basketball und
- sprungzentrierte Sportarten wie Hochsprung oder Weitsprung
- sturzgefährdete Sportarten (Inline-Skaten, Skateboard Fahren)
haben ein erhöhtes Risiko. Aber auch bei kontaktarmem Sport wie Joggen oder Radfahren kommt es beim Stolpern und Sturzereignissen aufgrund der Geschwindigkeit und bei unebenem Terrain (z.B. im Wald) ebenfalls häufig zu einer distalen Radiusfraktur.
Bei einer distalen Radiusfraktur bricht kein Knochen des Handgelenks, sondern die handgelenksnahe Speiche © yodiyim / Fotolia
Bei älteren Patienten können aufgrund der oft vorliegenden geringeren Knochendichte (Osteoporose) bereits kleinere Stürze zu einer Fraktur führen.
Die Knochendichte nimmt mit zunehmendem Alter ab, ohne dass eine krankhafte Knochenveränderung vorliegen muss. Die Knochen werden somit im Alter physiologischerweise (also ohne eine krankhafte Veränderung darzustellen) instabiler und können leichter brechen. Krafttraining für Senioren schafft hier übrigens Abhilfe und kann zu einer Stärkung der Knochenstruktur führen.
Bei krankhafter Verminderung der Knochendichte, der Osteoporoseerkrankung, wird der Knochen allerdings über das normale (physiologische) Maß hinaus geschwächt und ist in der Folge äußerst frakturanfällig. Aus diesem Grund reichen im Alter teilweise schon kleinere Stürze aus, um Brüche zu verursachen. Sehr verbreitet sind hier Speichenbrüche nach Stürzen aus dem Stand.
Brüche der Speiche nahe dem Handgelenk werden in zwei Unterarten eingeordnet:
- Colles-Fraktur: Aufprall mit der ausgestreckten Hand
- Smith-Fraktur: Aufprall mit der gebeugten Hand.
Die Colles-Fraktur macht etwa 90 Prozent der gesamten Radiusfrakturen aus und ist damit wesentlich häufiger. Die Smith-Fraktur ist zwar viel seltener, muss aber in den allermeisten Fällen operativ versorgt werden. Dies liegt daran, dass die Colles-Fraktur oft stabil und mit einem Gips versorgt werden kann, wohingegen die Smith-Fraktur instabil ist und sich trotz Gipsbehandlung immer wieder verschiebt. Eine konservative Therapie der Smith-Fraktur führt fast ausnahmslos zu einer Handgelenksarthrose, was auf eine Fehl- bzw. Nichtverheilung zurückzuführen ist.
Ein Bruch der Speiche ist eine Angelegenheit für die Unfallchirurgie und Orthopädie. Oft werden die Patienten in der Notaufnahme erstversorgt und untersucht. Es wird zunächst ein Bericht über die Vorgeschichte und den Unfallmechanismus durchgeführt, anschließend wird der Unterarm abgetastet und hierbei überprüft, ob eine
- Schwellung,
- Druckschmerz oder
- Bluterguss
vorliegen. Teilweise kann bei der Untersuchung auch ein Knistern festgestellt werden, was ein weiterer starker Hinweis für einen Knochenbruch ist. Außerdem kann im Extremfall auch eine deutliche Fehlstellung des Knochens und Gelenks festgestellt werden, was praktisch beweisend für einen Bruch des Knochens ist. Wichtig bei der Erstuntersuchung ist auch die Überprüfung der Durchblutung und des Gefühls der Hand, um eine Verletzung der Gefäße und Nerven auszuschließen.
Eine Speichenfraktur ohne Fehlstellung verzögert die Diagnose oft, da in diesem Fall viele Symptome wegfallen. In der Regel kann hier mittels eines Röntgenbildes zweifelsfrei die Art der zugrundeliegenden Fraktur dargestellt werden.
Bei Verdacht auf einen komplizierten Bruch wird in den meisten Fällen zudem eine Computertomographie (CT) herangezogen.
Bei einer sogenannten einfachen und stabilen Radiusfraktur kann eine konservative Behandlung ausreichen. Von einer stabilen Radiusfraktur spricht man immer dann, wenn die Bruchenden gut zueinanderstehen und sich in einem Gips auch nicht gegeneinander verschieben. Wichtig hierbei sind allerdings regelmäßige Röntgenkontrolle, am Anfang in kurzen Abständen, um den Erfolg der Gipsbehandlung und die Stellung der Knochen zu kontrollieren. Die Ruhigstellung mittels Gipsbehandlung erfolgt in aller Regel für sechs Wochen.
Bei einer instabilen Fraktur hingegen lassen sich die Bruchenden nicht gut reponieren und zudem besteht hier immer das Risiko, dass sich die Knochenenden trotz Gipsrückstellung gegeneinander verschieben. Dies ist immer dann der Fall, wenn Gewebe (beispielsweise Sehnen) zwischen den Knochenenden befindlich ist oder bei der bereits oben beschriebenen Smith-Fraktur. Instabile Frakturen müssen grundsätzlich operativ versorgt werden, andernfalls droht das Risiko einer Handgelenksarthrose.
Welche Operationsmethoden gibt es bei der distalen Radiusfraktur?
Prinzip aller operativen Verfahren ist auch hier (wie beim konservativen Vorgehen), dass die Fraktur zunächst mittels Einrenkung (Reposition) wieder in die richtige Stellung gebracht werden muss. Diese Stellung sollte die Normalposition sein. Anschließend ist eine Fixierung dieser Position notwendig, was durch unterschiedliche Vorgehensweisen erfolgen kann.
- Gipsruhigstellung: Dies ist dann möglich und indiziert, wenn vor der Reposition Gewebe aus dem Bruchspalt entfernt werden musste und die Fraktur anschließend gut und stabil steht .
- Osteosyntheseverfahren: Hierunter versteht man eine Fixierung und Stabilisierung des Bruches durch Schrauben, Drähte, Platten oder sonstige Vorrichtungen, die von außen an beziehungsweise in den Körper eingebracht werden. Osteo steht für Knochen, Synthese für Verbindung/Zusammenführung.
Nachfolgend beispielhaft die wichtigsten Osteosytheseverfahren:
- Fixateur externe (anbringen eines externen Metallgestells)
- Drahtosteosynthese (wird oft beim Kindern angewendet, sogenannte „Spickdrähte“)
- Schraubenosteosynthese
- Plattenosteosynthese (häufigstes Verfahren)
In jedem Einzelfall muss einzeln bewertet werden, welche Operationsmethode die geeigneteste ist.
Metallene Plättchen und Schrauben fixieren eine gebrochene Speiche © Whyona / Fotolia
Nach der Operation muss das Handgelenk für eine angemessene Zeit ruhen. In der Zwischenzeit sollten umliegende Muskel- und Gelenkareale möglichst schnell wieder gezielt belastet werden.
Im Rahmen einer Krankengymnastiktherapie werden Bewegungsabläufe von Fingern, Ellbogen und Schulter getestet und normalisiert. Die Patienten sollten außerdem schnell wieder leichte Griffbewegungen ausführen und ihren Arm nicht komplett ruhigstellen.
Auch im Anschluss an die Operation wird der Erfolg des Eingriffs durch Röntgenaufnahmen kontrolliert. Die erste Aufnahme erfolgt meistens am ersten Tag nach der Operation, bei dem sich viele Patienten noch im Krankenhaus befinden. Bei ambulanten Eingriffen werden Termine für die Kontrolluntersuchungen direkt bei Entlassung vereinbart. Je nach Befund wird dann vereinbart, wann die nächste Kontrolluntersuchung sein wird. Spätestens nach 6-8 Wochen sollte diese aber auf jeden Fall stattfinden, um die Heilung des Bruchs zu dokumentieren.
Die verwendeten Stützmaterialien aus Metall müssen nach gegebener Zeit im Rahmen eines kleineren Eingriffs entfernt werden. Die Platten der Plattenosteosynthese verbleiben meistens mindestens 12 Monate im Körper, Drähte und Schrauben werden früher entfernt. Dies liegt daran, dass Drähte und Schrauben nach Belastung auch brechen oder nach außen wandern sowie Hautschädigungen verursachen können. Bei Platten ist dies in aller Regel nicht der Fall.
Die Prognose der Behandlung hängt von der Schwere des Bruchs ab. Liegt ein schwerer Bruch vor, können unter Umständen Folgebeschwerden wie
- chronische Schmerzen
- Kraftverlust oder
- Empfindungsstörungen
zurückbleiben. Diese müssen dann individuell behandelt werden.
In der Regel heilt eine distale Radiusfraktur aber gut aus und es bleiben keine dauerhaften Schäden.