Unter Aortenchirurgie werden sämtliche operativen chirurgischen Eingriffe an der Hauptschlagader (Aorta) zusammengefasst. Die Aorta entspringt dem Herzen, zieht an der Rückseite des Brustkorbs neben der Wirbelsäule nach unten durch den Bauchraum und teilt sich auf Nabelhöhe in die beiden Beckenschlagadern auf. Die Aorta versorgt somit den gesamten Körper mit sauerstoffreichem Blut und spielt eine zentrale Rolle im Herz-Kreislaufsystem.
Erkrankungen der Hauptschlagader können
- Engstellen bzw. Verschlussprozesse (arterielle Verschlußkrankheit, pAVK) oder
- Aussackungen (Aneurysmen)
sein.
Bei den Engstellen oder Verschlußprozessen kommt es zu Durchblutungsstörungen der Organe und Gewebe. Dies kann unterschiedliche Symptome hervorrufen wie
- Schmerzen beim Laufen (Schaufensterkrankheit),
- nächtliche Ruheschmerzen oder
- Wunden an Füßen und Unterschenkeln, die nicht abheilen.
Aber auch das Gegenteil, nämlich eine Aussackung der Gefäßwand (medizinisch spricht man von einem Aortenaneurysma), stellt eine krankhafte Gefäßveränderung dar. Die Gefahr besteht hier allerdings nicht in einer Durchblutungsstörung, sondern im Platzen der Aussackung, was meist zum Verblutungstod führt.
Ziel der Aortenchirurgie ist
- die Bypassanage und Überbrückung bzw. Blutumleitung bei Verschlüssen sowie
- die Ausschaltung von Aneurysmen durch Ersatz des erkrankten Gefäßabschnittes mit einer Prothese.
Hauptursache der Erkrankungsprozesse der Schlagadern, folglich auch der Aorta, ist die Arteriosklerose. Diese wird im Volksmund oft Gefäßverkalkung genannt. Sie entsteht durch Risikofaktoren wie
Durch die Verkalkung der Gefäßwand wird diese schwach und weniger elastisch, weshalb die Wand nicht mehr so flexibel ist und aussacken kann. Andererseits können die Verkalkungen aber auch nach innen wachsen und das Gefäß verengen oder ganz verschließen. Neben der Arteriosklerose gibt es noch weitere, deutlich seltenere Erkrankungen der Hauptschlagader wie die angeborene Bindegewebsschwäche oder Entzündungen sowie Autoimmunerkrankungen.
Wie bei allen anderen Gefäßen unterscheidet man zwischen offenen und endovaskulären (von innen) Eingriffen. Bei den offenen Eingriffen wird das Gefäß durch einen Hautschnitt freigelegt, bei den endovaskulären Verfahren erfolgt dies unter Zuhilfenahme von Katheters und speziellen Stents, Ballons sowie Stentprothesen von innen. Es können folgende Eingriffe durchgeführt werden:
Bei Verschlüssen der Hauptschlagader werden oft Umgehungskreisläufe (sogenannte Bypässe) notwendig. Hierbei handelt es sich um künstliche Blutgefäße, die an die gesunden Blutgefäße ober- und unterhalb von Verschlüssen aufgenäht werden. Anschließend fließt das Blut über den Bypass, wodurch die Blutversorgung der nachgeschalteten Gewebe wiederhergestellt und verbessert wird.
Ein häufiger Bypass an der Bauchschlagader ist die sogenannte „Y-Prothese“, bei der eine Y-förmige Kunststoffprothese umgedreht und oben an die Bauchschlagader sowie unten mit den zwei „Beinchen“ des umgedrehten Y jeweils an die Beckenschlagadern genäht wird. Somit werden Verschlüsse der Hauptschlagader überbrückt und das Blut umgeleitet. Wichtig ist, dass oberhalb des Verschlusses der Bauchschlagader keine Engstellen vorliegen und sich unterhalb unauffällige Gefäße im Becken und am Bein zeigen. Anderenfalls ist das Risiko groß, dass sich der Bypass verschließt.
Um das Einnähen der Prothese an der Aorta vornehmen zu können, muss der Bauch mit einem großen Bauchschnitt eröffnet werden. Dieser verläuft meistens längs in der Mittellinie.
Ebenfalls mit Röntgenstrahlung wird eine Aufdehnung mit Ballonkathetern durchgeführt, wobei auch hier ein Zugang über die Leistenschlagadern erfolgt. Bei der Aufdehnung von Engstellen wird teilweise ein Stent eingesetzt, um das Gefäß länger offenzuhalten. Oft ist hierbei aber nicht einmal ein Schnitt notwendig, das Leistengefäß wird durch die Haut hindurch angestochen. Wichtig ist es deshalb, dass nach dem Eingriff die Leiste für ca. 10-15 Minuten abgedrückt und für einige Stunden (oft 24 Stunden) Bettruhe eingehalten wird. Andernfalls besteht das Risiko einer Ein- bzw. Nachblutung.
Bei Aneurysmen muss die gesamte Aussackung des Gefäßes herausgeschnitten und durch eine Prothese ersetzt werden. Dies nennt sich auch „offene Versorgung“ eines Aortenaneurysmas, da ein Bauchschnitt notwendig ist.
Der große Unterschied zwischen der Aneurysma-Operation und der Operation bei Engstellen und Verschlüssen ist, dass das Aneurysma komplett durch eine Prothese ersetzt werden muß, um ein Platzen der ausgesackten Bauchschlagader verhindern zu können.
Wenn die Beckengefäße von der Aussackung nicht betroffen sind, kann dies durch eine sogenannte Rohrprothese erfolgen. Hierbei handelt es sich, wie der Name schon sagt, um eine wie ein Rohr geformte Prothese. Wenn allerdings auch die Beckengefäße betroffen sind, muss in aller Regel eine Y-Prothese eingenäht werden.
Die „offene“ Aneurysmaversorgung ist das althergebrachte Verfahren, welches es schon lange gibt. Die „endovaskuläre“ Ausschaltung eines Aortenaneurysmas gibt es seit dem Ende des letzten Jahrtausends, genau genommen erfolgte die erste „endovaskuläre“ Aortenversorgung 1996.
Im Gegensatz zur „offenen“ Operation muss beim „Aortenstent“ der Bauch nicht durch einen großen Bauchschnitt eröffnet werden. Vielmehr genügt es, die Leistenschlagadern freizulegen und hierüber eine Stentprothese bis in die Aussackung vorzuschieben.
Da die Prothese von innen, also über den Gefäßinnenraum, bis in das Ziel (das Aneurysma) vorgeschoben wird, nennt man dieses Vorgehen auch „endovaskulär“ (endo = innen und vaskulär = Gefäß). Weil der Bauch nicht eröffnet wird, muss die korrekte Lage der Prothese mit Röntgenstrahlung kontrolliert werden.
Diese Frage ist natürlich berechtigt, da das „endovaskuläre“ Vorgehen mit einem Aortenstent deutlich weniger belastend für den Patienten ist als die „offene“ Operation. Dennoch gibt es wichtige Gründe, warum das „offene“ Vorgehen in manchen Situationen bevorzugt wird.
Der Aortenstent muss sich von innen in das Gefäß hineinlegen und benötigt hierfür ober- und unterhalb der Aussackung jeweils mehrere Zentimeter gesunde Gefäßabschnitte. Dies ist nicht immer der Fall, weshalb spezielle Prothesen nach Maß erforderlich sind. Diese Prothesen dürfen allerdings wichtige Äste der Aorta, z.B. die Schlagadern welche Darm und Nieren versorgen, nicht verschließen. In solchen Fällen sind zusätzliche „Seitenarme“ in der Prothese nötig, die bis in die Seitenäste der Aorta gelegt werden. Dennoch kann es teilweise notwendig sein, dass die Bauchschlagader „offen“ freigelegt und die Prothese chirurgisch (per Hand) eingenäht wird.
Bei der endovaskulären Versorgung ist es zu beachten, dass sich die Prothese auch Jahre nach der Operation noch verschieben und damit undicht werden kann. Aus diesem Grund muss die Lage der Prothese im Körper regelmäßig kontrolliert werden. Oft wird dies durch eine Computertomographie durchgeführt, was stets mit einer Strahlenbelastung einhergeht.
Anfänglich erfolgen die Kontrollen alle 3-6 Monate, anschließend in jährlichen Abständen. Dies ist sehr wichtig, da sich die Prothese auch nach mehr als 10 Jahren noch verschieben kann und dann das Aneurysma nicht mehr abgedichtet wird. Wenn es dann zu einem Platzen (der Ruptur) kommt, droht der Verblutungstod genauso wie wenn keine Stentprothese eingebracht worden wäre.
Grundsätzlich gilt, je größer die Aussackung wird, desto höher ist auch das Risiko eines Einrisses der Gefäßwand. Ab einem Durchmesser von > 5,5 cm ist das Risiko einer Ruptur größer als das Operationsrisiko, so dass ab diesem Durchmesser eine Operation empfohlen wird. Das genaue Vorgehen, sprich ob offen oder endovaskulär, wird in Abhängigkeit
- von der Lage und Ausdehnung des Aneurysmas,
- dem Zustand und Behandlungswünschen des Patienten sowie
- der geschätzten Lebenserwartung
entschieden. Vielen jüngeren Patienten wird eher zur offenen Versorgung geraten, da hier im Anschluss normalerweise keine Röntgenkontrollen mehr notwendig sind.
Nach einer offenen Aortenoperation beträgt der stationäre Aufenthalt meist 1-2 Wochen. Die Bauchwunde muss regelmäßig kontrolliert und verbunden werden. Im Bedarfsfall kann bei einer drohenden Entzündung die Gabe eines Antibiotikums als Infusion notwendig sein. Außerdem bedarf es eines langsamen Kostaufbaus, um den Darm wieder schonend in Schwung zu bringen. Bei betagteren Patienten folgt nach dem Krankenhausaufenthalt eine Anschlussheilbehandlung (auch „Reha“ genannt).
Beim Aortenstent ist kein spezieller Kostaufbau notwendig, da die Bauchöhle nicht eröffnet werden musste. Auch Störungen der Wundheilung sind äußerst selten, so dass die Entlassung aus dem Krankenhaus oft bereits 2-3 Tage nach der Operation möglich ist. Dies ist ein entscheidender Vorteil der endovaskulären Versorgung.
Zusammenfassend läßt sich sagen, dass die offene sowie endovaskuläre Versorgung von Aortenerkrankungen keine konkurrierenden, sondern sich ergänzende Behandlungsverfahren sind und für jeden Patienten individuell das geeigneteste Verfahren gewählt werden sollte. Insbesondere ist auch der Wunsch des Patienten zu berücksichtigen, wofür allerdings eine ausführliche Aufklärung über Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren inclusive Risiken und Nachbehandlung unerlässlich ist.
Die endovaskuläre Therapie ist oft schonender, aber nicht bei jedem Patienten möglich und Bedarf meist regelmäßiger Nachkontrollen mit Röntgenstrahlung, da sich die Prothese verschieben und undicht werden kann. Die offenen Verfahren sind schon länger bekannt und bei nahezu jedem Patienten möglich, sind allerdings vielfach belastender für den Körper und gehen mit einem längeren Krankenhausaufenthalt einher.