Lymphödem-Spezialisten und Informationen

02.03.2023
Prof. Dr. med. Susanne Regus
Medizinische Fachautorin

Viele Menschen kennen das Gefühl, wenn sie am Abend von einem anstrengenden Tag wieder nach Hause kommen: Beine und Füße schmerzen, sind geschwollen. Im Normalfall geben sich diese Symptome nach ein paar Stunden wieder, spätestens am nächsten Tag. Wenn die Schwellungen allerdings nicht nur nach Belastungen auftreten und auch nicht verschwinden, dann ist Vorsicht geboten. Möglicherweise kann es sich um ein Lymphödem handeln.

Was ein Lymphödem ist, wie es entsteht und wie man es behandeln kann, wird im Text weiter unten genauer unter die Lupe genommen.

ICD-Codes für diese Krankheit: I89

Empfohlene Lymphödem-Spezialisten

Artikelübersicht

Was ist und woraus besteht die Lymphflüssigkeit?

Die Lymphe besteht, ähnlich wie das Blut, aus Flüssigkeit (Lymphplasma) und Zellen (korpuskuläre Anteile). Der Unterschied zwischen Blut- und Lymphflüssigkeit ist, dass mit der Lymphe größere Zellen abtransportiert werden, welche Blutgefäßwände nicht überwinden können.

Die kleinsten Lymphgefäße (sogenannte Lymphkapillaren) weisen am Ende Lücken zwischen den Zellen der Lymphgefäßwand auf, weshalb im Vergleich zum venösen Blutgefäßsystem (welches ebenfalls Flüssigkeit aus den körperfernen Geweben in Richtung Herz transportiert) größere Bestandteile der Gewebeflüssigkeit aufgesogen und transportiert werden können.

Typische Beispiele für mit der Lymphflüssigkeit transportierte größere Zellen sind:

  • Krankheitserreger (Bakterien, Pilze)
  • Fremdkörper (z.B. auch Farbstoffe, welche in Gewebe gespritzt werden)
  • Eiweiße (Proteine)
  • Fette (Lipide)
  • Abwehrzellen (Makrophagen)

Wie ist das Lymphgefäßsystem anatomisch aufgebaut?

Das Lymphgefäßsystem besteht aus Lymphbahnen, in denen die Lymphe Richtung Herz transportiert wird. Diese Lymphbahnen sind zunächst sehr klein (Lymphkapillaren) und nur mikroskopisch sichtbar. Je näher man Richtung Herz kommt, desto größer werden die Lymphgefäße, so dass sie schließlich sogar mit bloßem Auge sichtbar werden. Schließlich fließen alle Lymphgefäße des Körpers in ein großes Lymphgefäß (Ductus thoracicus), der kurz vor dem Herzen in die Schlüsselbeinvene mündet.

Damit sämtliche Fremdkörper und Krankheitserreger aus der Lymphflüssigkeit entfernt werden, bevor diese in das Blutgefäßsystem mündet, sind Filterstationen eingebaut. Diese werden auch Lymphknoten genannt und schwellen bei vermehrt anfallenden und abzubauenden Krankheitserregern (z.B. bei Entzündungen) an. Ein Beispiel hierfür sind tastbar vergrößerte Halslymphknoten bei Erkrankungen der oberen Atemwege oder eines Zahnes.

Was versteht man unter einem Lymphödem?

Ein Lymphödem ist eine Flüssigkeitsansammlung im Zwischenzellraum. Pro Tag werden vom Körper ca. 2-3 Liter Lymphflüssigkeit produziert. Ursache für die Entstehung eines Lymphödems ist der mangelnde Abtransport der Lymphflüssigkeit. Dadurch kommt es zu Stauungen in den Zwischenzellräumen. Die Schwellungen treten sehr häufig an einem oder beiden Beinen auf. Aber auch andere Körperregionen, wie etwa die Arme, können hiervon betroffen sein. An Hals, Kopf, Rumpf oder den Genitalien können Lymphödeme ebenfalls auftreten, sind hier allerdings seltener vorhanden.

Es gibt unterschiedliche angeborene und im Laufe des Lebens erworbene Ursachen und Erkrankungen, die zu einem Lymphödem führen.

Nicht zu verwechseln ist ein Lymphödem mit einem Lipödem. Beim Lipödem handelt es sich ebenfalls um eine Schwellung, allerdings nicht durch eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung, sondern durch eine Vermehrung von Fettgewebe.

Wie entsteht ein Lymphödem?

Es wird zwischen einem primären und sekundären Lymphödem unterscheiden. 

Das primäre Lymphödem ist erblich bedingt, es wird also nicht durch andere Krankheiten oder äußere Einflüsse hervorgerufen. Medizinisch spricht man hier auch von einem hereditären (genetisch bedingtem) Lymphödem. Bei Frauen macht es sich nicht selten in der Schwangerschaft bemerkbar. Teilweise gibt es auch Erkrankungen, bei denen Lymphgefäße in bestimmten Körperregionen fehlen, also fälschlicherweise nicht angelegt sind. Hierdurch entstehen dann Abflussstörungen von Lymphflüssigkeit.

Sekundäre Lymphödeme können unterschiedliche Ursachen haben, zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronische Hauterkrankungen. Tumorerkrankungen (und auch Tumorentfernung), Unfälle sowie der Befall mit Viren, Bakterien, Würmern und Pilzen können ebenfalls zu diesem Kreis hinzugezählt werden. Das Gleiche gilt für radiologische Bestrahlungen, Operationsnarben oder für die chronisch venöse Insuffizienz

Eine weitere Ursache für sekundäre Lymphödeme sind operative Eingriffe. Medizinisch ausgedrückt handelt es sich hierbei um iatrogene Lymphödeme (also vom Arzt verursacht). Häufiges Beispiel hierfür ist die Brustkrebs-Operation, bei der befallene Lymphknoten in der Achselhöhle entfernt werden. Dies ist wichtig, um die weitere Ausbreitung des Tumors zu verhindern und je nach Anzahl der betroffenen Lymphknoten ggf. notwendige Therapiemaßnahmen (Chemotherapie, Bestrahlung) festzulegen.

Bei der Entfernung der Lymphknoten werden allerdings meistens wichtige Lymphbahnen in der Achselhöhle verletzt, weshalb anschließend der Abfluss der Lymphflüssigkeit gestört sein kann. Das Gleiche gilt auch für Operationen in der Leiste (z.B. bei einer Gefäßverengung), bei der Lymphbahnen verletzt werden können. Da die Lymphgefäße mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, gehören Lymphödeme (auch Lymphfisteln genannt) zu typischen Komplikationen operativer Eingriffe.

Wie erkennt man ein Lymphödem?

Ein Lymphödem ist durch die pralle Flüssigkeitsansammlung sehr gut zu sehen. Bein oder Arm sind dick geschwollen, wirken verquollen. Darüber hinaus sind diese Ödeme auch tastbar. Während man im ersten Stadium noch eine Delle in die Haut drücken kann, ist das Ödem im fortgeschrittenen Stadium fest. Eine Delle kann nun nicht mehr oder nur noch schwer in das Gewebe gedrückt werden. Eine Möglichkeit zur Diagnostik stellt das Stemmersche Zeichen dar. Wenn die Hautfalte über der zweiten und dritten Zehe - oder den Fingern - nicht mehr angehoben werden kann, gilt dieser Test als positiv. Grundsätzlich ist ein Lymphödem in mehrere Stadien eingeteilt:

  • Anfangsstadium: In dieser frühen Phase treten noch keine großartigen Symptome auf, das Ödem ist nur unterschwellig vorhanden.
  • Erstes Stadium: Das Lymphödem ist inzwischen zu erkennen und auch tastbar. Es fühlt sich relativ weich an, so dass eine Delle in das betroffene Areal gedrückt werden kann. Diese Delle bildet sich nach kurzer Zeit von selbst wieder zurück. Das Stemmersche Zeichen ist aber hier bereits positiv.
  • Zweites Stadium: Das Eindrücken des Hautareals ist nicht mehr oder nur noch in begrenztem Maße möglich, das Ödem wird fester. Während man im ersten Stadium noch eine Verbesserung durch Hochlagern des Körperteils erzielen konnte, schlägt diese Maßnahme hier bereits nicht mehr an.
  • Drittes Stadium: Durch die immer stärker werdende Schwellung ist die Beweglichkeit des betreffenden Körperteils stark eingeschränkt. Das "verquollene Aussehen" hat noch mehr zugenommen. Außerdem kann die Haut mit Ekzemen oder anderen Dingen reagieren. Hinzu kommt, dass Wunden in diesem Bereich nur mäßig abheilen. In diesem Stadium spricht man von einer Elephantiasis.

Wer behandelt ein Lymphödem?

Prinzipiell empfiehlt es sich, zunächst den Hausarzt aufzusuchen, der die Vorgeschichte und Ursachen am besten kennt bzw. erforschen kann. Lymphkomplikationen nach operativen Eingriffen sollte der vorbehandelnde Chirurg weiter kontrollieren. Manchmal ist auch eine erneute Operation (sogenannter Revisionseingriff) notwendig, um die eröffneten Lymphbahnen wieder verschließen zu können. Dies erfolgt meist mit einer sogenannten Koagulation der Wundflächen (Hitzeverödung), eine direkte Darstellung eröffneter Lymphbahnen ist auch bei dem Revisionseingriff selten möglich.

Wie behandelt man ein Lymphödem? 

Folgende Therapiemethoden stehen zur Verfügung:

  • im frühen Stadium: Hochlagerung
  • Kompressionstherapie
  • Lymphdrainage
  • Bewegungstherapie
  • operative Therapie

Welche Möglichkeiten der Kompressionstherapie gibt es?

Die Therapie hängt nicht nur von der Ursache ab, sondern auch davon, wie weit das Lymphödem bereits fortgeschritten ist. In einem sehr frühen Stadium kann das Hochlegen – etwa des Beins – den Lymphabfluss unterstützen. Zudem hat die konsequente Kompressionstherapie oberste Priorität, da hierdurch ein Fortschreiten der Erkrankung meist verhindert werden kann. Bei offenen Wunden, entzündetem Gewebe sowie stark empfindlicher und schmerzhafter Haut wird zunächst die elastokompressive Wickelung empfohlen. Diese muss in aller Regel mehrmals täglich gewechselt werden, insbesondere bei stark nässenden Wunden. Letztere erfordern zudem meistens das Aufbringen spezieller hautverträglicher und stark saugfähiger Wundauflagen. Hier kann die Expertise eines Wundexperten (Wundmanager) sehr hilfreich sein. 

Bei unauffälligen Hautverhältnissen (z.B. einer Armschwellung bei Lymphödem nach Brustkrebs-Eingriffen) wird anstelle einer elastokompressiven Wickelung das Tragen eines medizinischen Kompressionsstrumpfes empfohlen. Dieser wird im Sanitätshaus angepasst. Derartige Stümpfe gibt es auch für die Beine. Es handelt sich allerdings um sehr kräftige feste Strümpfe (Kompressionsklasse III, Druck ca. 40-45mmHg), deren An- und Ausziehen teilweise schwierig ist und mit einer sogenannten Anziehhilfe durchgeführt werden sollte. Bei venösen Erkrankungen genügen regelhaft weniger feste Strümpfe (Kompressionsklasse II, ca. 30mmHg), die einfacher zu wechseln sind. 

Kompressionsstrümpfe

Was passiert bei der Lymphdrainage?

Letztlich haben sich auch Lymphdrainagen als sehr wirkungsvoll erwiesen. Dabei handelt es sich um eine spezielle Massagetechnik, durch die das Lymphsystem angeregt und somit die Flüssigkeit besser abtransportiert werden kann. Diese Technik kommt auch nach Operationen mit starken Schwellungen zum Einsatz und wird von einem Physiotherapeuten durchgeführt. 

Gibt es Medikamente gegen ein Lymphödem?

Teilweise werden harntreibende Medikamente (Diuretika) verschrieben, um die Schwellung zu reduzieren.  Diuretika sind Medikamente, die das Ausscheiden von Wasser unterstützen. Typische Indikationen für Diuretika sind Nieren- und Herzschwäche, hier ist die Anwendung oft wichtig und lebensrettend. Bei der Anwendung aufgrund eines Lymphödems ist allerdings äußerste Vorsicht geboten, da diese Medikamente auch mehr oder weniger starke Nebenwirkungen aufweisen und ein Lymphödem nicht bekämpfen können! 

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