Mehrlingsschwangerschaft - Spezialisten und Informationen zu Komplikationen und Vorsorge

11.09.2023
Prof. Dr. med. Markus Wallwiener
Medizinischer Fachautor

Bei einer Mehrlingsschwangerschaft wachsen mehrere Kinder gleichzeitig in der Gebärmutter heran. Schwangerschaften mit Mehrlingen sind eine besondere Herausforderung für die Mutter und die ungeborenen Kinder. Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt treten häufiger auf, als bei Einlingsschwangerschaften. Eine intenisve Betreuung durch Spezialisten der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist bei einer Mehrlingsschwangerschaft sehr wichtig. Erfahren Sie hier mehr und finden Sie ausgewählte Spezialisten!

ICD-Codes für diese Krankheit: O30, O31

Empfohlene Spezialisten für Mehrlingsschwangerschaften

Artikelübersicht

Was ist eine Mehrlingsschwangerschaft?

Wenn eine Frau mit mehr als einem Embryo in der Gebärmutter schwanger ist, spricht man von einer Mehrlingsschwangerschaft. Je nachdem wie viele Embryonen es sind, spricht man von einer Zwillings-, Drillings-, Vierlings-  oder Sechslings-Schwangerschaft.

Dabei können eineiige und zweieiige Zwillingen entstehen:

Eineiige Zwillinge entstehen aus einer befruchteten Eizelle (Zygote). Beide Embryonen sind genetisch identisch. Sie sind gleichgeschlechtlich. Eine eineiige Zwillingsschwangerschaft heißt auch monozygotische Schwangerschaft (mono = einzig).

Zweieiige Zwillinge entstehen aus zwei befruchteten (unterschiedlichen) Eizellen heran. Diese Form nennen Experten dizygotische Schwangerschaft (di = zwei). Beide Eizellen reifen zwar in den Eierstöcken gleichzeitig heran, sie stammen aber von zwei unterschiedlichen Spermien. Die Geschwister sind genetisch unterschiedlich.

Ein Drittel der Mehrlingsschwangerschaften sind eineiige (monozygote) Zwillinge. Die restlichen zwei Drittel sind zweieiige (dizygote) Zwillingsschwangerschaften.

Neugeborene Zwillingsbuben.
Neugeborene Zwillingsbuben @ Vad-Len / AdobeStock

Formen von eineiigen Mehrlingsschwangerschaften

Da eineiige Mehrlinge unterschiedlich mit der Gebärmutter verbunden sein können, haben sie unterschiedliche Namen:
  • Dichoriale-diamniot: Jeder Embryo befindet sich in einer eigenen Fruchtblase (Amnionhöhle) mit einer eigenen Fruchthöhle (Chorionhöhle). Jeder Zwilling hat eine eigene Plazenta.
  • Monochoriale-diamniot: Die eineiigen Zwillinge haben eine eigene Fruchtblase (Amnionhöhle). Sie haben eine gemeinsame Fruchthöhle (Chorionhöhle) und teilen sich eine Plazenta.
  • Monochoriale-monoamniot: Die Mehrlinge befinden sich in einer  gemeinsamen Fruchtblase (Amnionhöhle) und einer gemeinsamen Fruchthöhle (Chorionhöhle). In diesem Fall können die Zwillinge miteinander verwachsen sein (siamesische Zwillinge), wenn die Teilungsvorgänge nicht richtig ablaufen. Dies kommt in weniger als 0,5 % der Fälle von eineiigen Zwillingsschwangerschaften so vor.
Siamesische Zwillinge
Siamesische Zwillinge @ lunamarina /AdobeStock
 
Jede Form bietet den ungeborenen Kindern unterschiedliche Entwicklungsbedingungen. Deshalb müssen Ärzte die Schwangerschaft engmaschig begleiten, damit sie die Entwicklung der ungeborenen Kinder genau beobachten können.

Warum entstehen Mehrlingsschwangerschaften?

Mehrlingsschwangerschaften mit zwei oder mehreren Embryonen entstehen meist nach einer Hormonbehandlung. Die im Zuge einer Kinderwunschbehandlung verabreichten Hormone stimulieren die Eierstöcke stärker, wodurch mehrere Eizellen heranreifen können.

Mehrlingsschwangerschaften entstehen häufig nach künstlichen Befruchtungen (In-vitro-Fertilisation, IVF, ICSI). Ärzte setzen der werdenden Mutter ein, zwei oder maximal drei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter ein.

Das oberste Ziel einer Kinderwunschbehandlung ist es, die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Deshalb nehmen Ärzte und werdende Mütter das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft in Kauf.

Mehrlingsschwangerschaften sind - ohne hormonelle Unterstützung - sehr selten. Natürliche Faktoren sind das steigende Alter oder eine genetische Veranlagung der Mutter. Beispielsweise wenn die Mutter selbst ein Mehrling ist.

Erste Anzeichen einer Mehrlingsschwangerschaft

  • Ein erhöhter Wert des Schwangerschaftshormons HCG (humanes Choriongonadotropin)
  • Morgenübelkeit mit Erbrechen in den ersten Schwangerschaftswochen
  • Starke Gewichtszunahme im ersten Trimester (1. bis 12. Schwangerschaftswoche),
  • Ein deutlich vergrößerter Bauchumfang und
  • Eine deutlich vergrößerte Gebärmutter. Diese kann der Gynäkologe ertasten oder im Ultraschall erkennen.
Frau mit Babybauch (Zwillingen)
Frau mit Babybauch (Zwillingen) @ Uwe Grötzner / AdobeStock

Diagnose der Mehrlingsschwangerschaft

Die Diagnose einer Mehrlingsschwangerschaft geschieht zwischen der achten und der zwölften Schwangerschaftswoche mittels Ultraschall (Sonografie).
 
Schwangerschaftsdiagnostik mittels Ultraschall
Schwangerschaftsdiagnostik mittels Ultraschall @ Alexander Raths / AdobeStock

Die Untersuchungen während einer Mehrlingsschwangerschaft

Zu den allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft gehören:

  • Die Kontrolle von Blutgruppe, Hämoglobin und Urin
  • Die regelmäßige Messung von Körpergewicht, Bauchumfang und Blutdruck (RR)
  • Die Inspektion der Uterusgröße
  • Die Untersuchung von Becken und Muttermund
Schwangerschaften mit Mehrlingen gehören zu den Risikoschwangerschaften. Das bedeutet, dass sie ein erhöhtes Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt haben.
 
Deshalb sollten Frauen, die mit Mehrlingen schwanger sind, öfter zur ärztlichen KontrolleBis zur 28. Schwangerschaftswoche alle 14 Tage. Danach wöchentlich. Die Untersuchungen erfolgen mittels CTG (Kardiotokografie). Das CTG ist ein Gerät, mit dem die Ärzte die Herzfrequenz der ungeborenen Babys und die Wehentätigkeit aufzeichnen können.

Die häufigsten Schwangerschaftsbeschwerden:

Bei Mehrlingsschwangerschaften treten die üblichen Schwangerschaftsbeschwerden in verstärkter Form auf:

  • Starke Übelkeit mit häufigem Erbrechen 
  • Wassereinlagerungen (Stauungsödeme) und Kribbeln in den Beinen ab der 14. Schwangerschaftswoche
  • Rückenschmerzen aufgrund der Gewichtszunahme
  • Atemlosigkeit (durch Druck der Mehrlinge auf die Lunge)
  • Starke Tritte und Stöße gegen die Bauchdecke
  • Allgemeine Ruhe- und Rastlosigkeit
Schwangere Frau mit Rückenschmerzen
Schwangere Frau mit Rückenschmerzen @ Nutlegal / AdobeStock

Die häufigsten Schwangerschaftskomplikationen

  • Hyperemesis gravidarum: Häufiges Erbrechen
  • Präeklampsie: Bluthochdruck mit Eiweißausscheidung im Urin
  • Erhöhtes Frühgeburtsrisiko: Eine Geburt, die vor der 37. Schwangerschaftswoche stattfindet, bezeichnen Ärzte als Frühgeburt. Anzeichen einer Frühgeburt sind beispielsweise vorzeitige Wehen, ein vorzeitiger Blasensprung oder ein stark verkürzter Gebärmutterhals (Cervix uteri) mit weniger als 3 Zentimeter
  • Akute oder chronische Plazentainsuffizienz: Der Stoffaustausch und die Durchblutung sind unzureichend. Dadurch ist eine Schädigung des Fötus bzw. der Föten möglich.
  • Vermindertes Größenwachstum oder Schrumpfen des Fötus (Hypotrophie)
  • Neurologische Schädigung des Fötus bzw. der Föten: Im Falle einer verminderten Sauerstoff- oder Nährstoffversorgung
  • Fehlgeburt (Abort): Wenn die Schwangerschaft vor der 23. bzw. 24. Schwangerschaftswoche (SSW) endet. Zu diesem Zeitpunkt sind die Kinder noch nicht lebensfähig. Um den Entwicklungsstand der Feten nach einer Mehrlingsschwangerschaft festzustellen, sind die ersten Untersuchungen beim Kinderarzt wichtig.
  • Das Feto-fetale Transfusionssyndrom: Tritt bei Zwillingsschwangerschaften ein, wenn sich die beiden Feten im Mutterleib einen Mutterkuchen (Plazenta) teilen. Das Problem bei der Erkrankung ist, dass der Blutfluss zwischen den beiden Feten ungleich verteilt ist. Während der eine zu viel Blut erhält, bekommt der andere zu wenig. Beide werden geschädigt. Die Laserablation kann in diesem Fall helfen. Bei der Laserablation werden die Gefäßverbindungen innerhalb der Plazenta mittels Laser verödet. Dieses Verfahren ist riskant. Daher sollten ausschließlich spezialisierte Zentren eine Laserablation durchführen.
Gebärende Frau, der Mann hält ihre Hand.
Gebärende Frau, der Mann hält ihre Hand @ Gorodenkoff / AdobeStock

Notfall-Anzeichen während einer Mehrlingsschwangerschaft

Sollten während einer Mehrlingsschwangerschaft folgende Symptome auftreten, dann nehmen Sie diese bitte ernst und nehmen sofort Kontakt mit einem Arzt auf:

  • Wehen: Diese deuten daraufhin, dass die Geburt bald einsetzt.
  • Blutungen: Bei Blutungen rufen Sie bitte sofort die Rettung.
  • Bauchschmerzen: Sollten Sie schnellstmöglich von einem Arzt abklären lassen.
  • Fieber: Deutet auf eine Infektion oder eine andere Komplikation hin.
  • Starke Schmerzen in einem Bein oder in den Beinen:  Können auf eine Beinvenenthrombose hindeuten.
  • Ein Rückgang der Kindsbewegungen: Ist dringend ärztlich abzuklären.
  • Abgang von Fruchtwasser
  • Brennende Schmerzen beim Wasserlassen: Deuten auf einen behandlungsbedürftigen Harnwegsinfekt hin.
  • Verschlechterter Allgemeinzustand durch eine Präeklampsie (erhöhter Blutdruck und krankhafte Eiweißausscheidung über den Urin).
  • Anzeichen einer Eklampsie (Krampfanfall)
Schwangere Frau mit Schmerzen
Schwangere Frau mit Schmerzen @ KAMPUS /AdobeStock

Mögliche Geburtskomplikationen

Ein erhöhtes Risiko besteht auch für Mehrlingsschwangerschaften während der Geburt.

Folgende Komplikationen können eintreten:

  • Eine verlängerte Eröffnungsphase von mehr als zwölf Stunden.
  • Eine vorzeitige Plazentaablösung nach der Geburt des ersten Zwillings.
  • Ein Nabelschnurvorfall: Bei dem lebenswichtige Blutgefäße der Nabelschnur abgeklemmt werden. Dadurch entsteht eine Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) des Kindes.
  • Starke Nachblutungen: Durch verminderte Kontraktionen der Uterusmuskulatur (Uterusatonie).

Behandlung und Betreuung bei Mehrlingsschwangerschaften

Sind Sie mit Mehrlingen schwanger, dann meiden Sie Stress und körperliche Anstrengung. Das vorrangige Ziel einer Mehrlingsschwangerschaft ist es, die Schwangerschaft lange zu erhalten. 

Frauen, die vor der 34. SSW Wehen bekommen oder an einer Zervixinsuffizienz (Öffnung des Muttermundes) leiden, erhalten Medikamente wie Wehenhemmer oder Kortikosteroide. Kortikosteroide sind Medikamente, die die Lungenreife der ungeborenen Kinder beschleunigen. Sie werden meist bei Frühgeburten eingesetzt.

Der Geburtsplan

Der Geburtsplan beinhaltet alle wichtigen Infos über Schwangerschaft und Entbindung. Er dokumentiert ebenfalls den Gesundheitszustand der ungeborenen Kinder und den der Mutter.

Zum Beispiel:

  • Ist eine natürliche vaginale Geburt möglich?
  • Wurde eine Schmerzbehandlung durchgeführt?
  • Ist ein Kaiserschnitt geplant?

Da eine natürliche Geburt bei Mehrlingsschwangerschaften kompliziert und riskant ist, machen die Ärzte meist einen Kaiserschnitt (Sectio caesarea).

Quellen

  • https://www.dggg.de/leitlinien-stellungnahmen/leitlinien/
  • https://www.dgkj.de/eltern/spezialisten-portraits/neonatologie/
  • Dr. med. Sabine Schmidt und Dr. med. Arne Schäffler: Lehrbuch für Pflegeberufe, Ärzte und Patienten. Medizin und Gesundheit. Köln: Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft, 2003
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/78411/Perinatale-Probleme-von-Mehrlingen
  • https://flexikon.doccheck.com/de/Mehrlingsschwangerschaft
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