Unter einer korrekten Körperhaltung versteht man zurückgezogene Schultern und einen aufgerichteten Rücken. Bei Morbus Scheuermann zeigt sich jedoch ein stark ausgeprägter Rundrücken (Buckel). Er kommt durch eine veränderte Form der Wirbelkörper und eine nach hinten gekrümmte Wirbelsäule zustande.
Weitere Bezeichnungen für Morbus Scheuermann sind
- Adoleszentenkyphose,
- Scheuermann-Krankheit,
- juvenile Kyphose und
- juvenile Osteochondrose.
Umgangssprachlich wird sie auch als Buckel oder Lehrlingsrücken bezeichnet.
Mit einer Krankheitshäufigkeit von etwa 20 Prozent gehört Morbus Scheuermann zu den häufigsten Erkrankungen im Jugendalter. In der gesamten Bevölkerung sind etwa 4 bis 6 Prozent der Menschen davon betroffen. Das männliche Geschlecht ist mindestens doppelt so häufig betroffen wie das weibliche.
Die menschliche Wirbelsäule weist im normalen, gesunden Zustand eine doppelte Krümmung auf:
- Die Brustwirbelsäule ist um 20 bis 40 Grad zum Rücken hin gekrümmt (medizinisch Kyphose genannt),
- die Lendenwirbelsäule ist leicht nach vorne gekrümmt (Lordose).
Beträgt der Krümmungswinkel der Kyphose über 40 Grad, spricht man von Morbus Scheuermann. Eine schwere Kyphose besteht bei einem Krümmungswinkel von mehr als 70 Grad.
Ab etwa dem 11. Lebensjahr lässt sich die Erkrankung durch klinische Auffälligkeiten und radiologisch sichtbare Veränderungen nachweisen. Mit Ende des pubertären Körperwachstums haben sich die krankhaften Veränderungen an den Wirbelkörpern stabilisiert, die körperlichen Veränderungen bleiben aber bestehen.
Bei den meisten Jugendlichen wird die Erkrankung zwischen dem 11. und 17. Lebensjahr festgestellt.

Links eine normal gekrümmte Wirbelsäule, rechts eine Wirbelsäule mit Morbus Scheuermann-Störung © Matthieu | AdobeStock
Im Normalfall sind die Wirbelkörper wie Zylinder geformt. Bei Morbus Scheuermann sorgt eine Wachstumsstörung jedoch dafür, dass die Wirbel auf der vorderen Seite langsamer wachsen als auf der Rückseite. So entwickeln sich die Wirbel zu einer Keilform (Keilwirbel).
Betroffen sind davon in den meisten Fällen die Wirbel der mittleren und unteren Brustwirbelsäule. Seltener betrifft die Störung auch die Lendenwirbel oder die Wirbel im Übergangsbereich von Brust- und Lendenwirbelsäule.
Typisch für Morbus Scheuermann sind auch die so genannten Schmorl-Knorpelknötchen. Das ist Bandscheibengewebe, das in die Knochensubstanz an Boden- und Deckplatten der Wirbel eingebrochen ist.
Forscher vermuten für die Wachstumsstörung der Wirbel eine genetische Veranlagung. Die genaue Krankheitsentstehung ist allerdings noch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.
Eine häufig diskutierte Theorie ist, dass die Störung von Mineralisierungs- und Verknöcherungsprozessen während der pubertären Wachstumsphase ausgeht. Im Verdacht stehen deshalb auch Krankheiten wie kindliche Osteoporose oder ein Überschuss an Wachstumshormonen.

Anatomie der Wirbelsäule mit normal gewachsenen Wirbelkörpern © bilderzwerg | AdobeStock
Darüber hinaus gibt es äußere Einflüsse, die die Entstehung von Morbus Scheuermann begünstigen könnten. Das sind etwa
- rückenbelastender Leistungssport,
- Sportarten, die einen Rundrücken erfordern (z.B. Rudern oder Gewichtheben),
- eine allgemeine gebückte Körperhaltung.
In der ersten Zeit verursacht Morbus Scheuermann oftmals keinerlei Probleme oder Schmerzen. Ist die Brustwirbelsäule betroffen, kommt es zu einer deutlichen sichtbaren Verkrümmung.
Im Bereich der Brustwirbelsäule äußert sich Erkrankung in einem Rundrücken. Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist der Rücken jedoch gerade, nicht wie üblich nach vorne gekrümmt (Flachrücken).
Rückenschmerzen treten jedoch häufig erst im weiteren Krankheitsverlauf auf. Sie können sich während körperlicher Aktivität verschlimmern und in Ruhe bessern. Die Schmerzen bessern sich in der Regel nach Abschluss des Körperwachstums.
Die klinische Symptomatik im weiteren Verlauf und bei Erwachsenen hängt im Wesentlichen vom Grad der Krümmung ab. So kann es unter Umständen zu
- Bewegungseinschränkungen,
- Verknöcherungen der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte,
- einer zunehmenden Lordose (Krümmung nach vorne) der benachbarten Abschnitte,
- in seltenen Fällen auch zu neurologischen Defiziten durch Rückenmarkkompression (Druck auf das Rückenmark),
- bei extremer Kyphose (Krümmungswinkel größer 100 Grad) auch zu Störungen der Herz- und Lungenfunktion
kommen.
Darüber hinaus kann sich der Rundrücken im Laufe der Zeit verschlimmern. Dieses Erscheinungsbild wird Post-Scheuermann-Syndrom genannt. Die Rückenmuskulatur wird bei Morbus Scheuermann extrem gefordert und ist so ständig überlastet. Dadurch kann es zu Schmerzen kommen.
Menschen mit Rundrücken haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein erhöhtes Risiko für chronische Rückenschmerzen.
Folgende Symptome und langfristige Komplikationen können demnach bei Morbus Scheuermann auftreten:
- Rundrücken oder Flachrücken (im Anfangsstadium mitunter schmerzlos)
- Chronische Rückenschmerzen
- Bewegungseinschränkungen
- Neurologische Defizite durch Rückenmarkkompression
- Zunahme des Buckels (Post-Scheuermann-Syndrom)
Meistens suchen die jungen Patienten aufgrund des sich entwickelnden Rundrückens und/oder wegen Rückenschmerzen einen Arzt auf.
Der Arzt befragt den Patienten nach
- der Art der Schmerzen,
- Funktionseinschränkungen,
- neurologischen Symptomen und
- sonstigen Beschwerden.
Anschließend beurteilt der Spezialist danach im Rahmen einer körperlichen Untersuchung
- die Wirbelsäulenform,
- der Schweregrad der Deformität,
- das Auslösen von Schmerzen,
- neurologische und weitere körperliche Auffälligkeiten.
Eine Röntgenaufnahme der Brust- und Lendenwirbelsäule gibt abschließend Gewissheit, ob eine übermäßige Kyphose vorliegt. Mittels Röntgen lassen sich auch die typischen keilförmigen Wirbelkörper und die Schmorl-Knorpelknötchen identifizieren.
Nur in sehr seltenen Fällen ist eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Computertomographie (CT) erforderlich. Spezifische Labortests oder feingewebliche Untersuchungen sind für die Diagnosefindung in der Regel nicht notwendig.
Während der Wachstumsphase sollten die Jugendlichen ihre Wirbelsäulendeformität in regelmäßigen Abständen kontrollieren lassen. So lässt sich feststellen, ob sich die Wirbelsäulendeformität verschlimmert.
Nach Abschluss des Wachstums sind keine Kontrolluntersuchungen mehr erforderlich, sofern keine Beschwerden bestehen.
Ob eine Therapie notwendig ist, hängt maßgeblich davon ab, ob
- Schmerzen bestehen,
- das Ausmaß der Krümmung zunimmt und
- neurologische Defizite bestehen.
Das Ziel der Behandlung besteht darin,
- einen fixierten Rundrücken mit Bewegungseinschränkung zu vermeiden,
- die Entwicklung hin zu einer schweren Wirbelsäulendeformität zu verhindern,
- die Schmerzen zu reduzieren bzw. zu beseitigen und
- die Wirbelsäulendeformität zu korrigieren.
Grundsätzlich gibt es einige therapeutische Möglichkeiten. Sie werden je nach Symptomatik und Krümmungswinkel einzeln oder in Kombination eingesetzt:
- Lebensstiländerungen,
- Muskelaufbau und Krankengymnastik,
- Medikamentöse Therapie,
- Tragen eines aufrichtenden Korsetts oder einer Orthese und
- eine perative Versorgung.
Konservative Maßnahmen
Im Bereich der Lebensstiländerungen wird beispielsweise das Schlafen in Bauchlage auf einer härteren Matratze empfohlen. Auch sollten keine Sportarten ausgeübt werden, bei denen die Wirbelsäule gestaucht (wie bei Sprungsportarten) oder ein Rundrücken nötig ist. Sitzen Sie zudem nicht lange in gebeugter Haltung und setzen Sie die Wirbelsäule keinen Fehlbelastungen aus.
Eine zentrale Rolle bei der Behandlung spielt die Physiotherapie. Der Therapeut kann hier mit speziellen Übungen zur Stärkung der Muskulatur die Haltung entscheidend verbessern. Ziel ist, den verkrümmten Rücken aufzurichten. Bei einer leichten Form der Krankheit kann eine Physiotherapie allein bereits ausreichen, um Erfolge zu erzielen.
Nicht immer bringen die Übungen allein nicht den gewünschten Erfolg. Dann kann der Patient auch ein Korsett oder eine Orthese tragen. Mit diesen Hilfsmitteln wird die Wirbelsäule aufgerichtet.
Vor allem während der Wachstumsphase ist das Tragen eines Korsetts ein probates Mittel. Die Korsett-Therapie kann aber nur dann Erfolg haben, wenn der Patient das Korsett möglichst den ganzen Tag trägt. Das erfordert also viel Selbstdisziplin.

Mittels Korsett lässt sich die Wirbelsäule dauerhaft stützen und aufrichten © tatomm | AdobeStock
Die medikamentöse Behandlung besteht aus der Gabe von Schmerzmitteln sowie muskelentspannenden Präparaten.
Operative Behandlung bei Morbus Scheuermann
Eine Operation ist bei Morbus Scheuermann mit erheblichen Risiken verbunden. Mögliche Komplikationen der OP sind
- eine Versteifung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts,
- Nervenverletzungen oder sogar
- eine Querschnittverletzung.
Deshalb darf die Indikation zur Operation nur nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile gestellt werden. Indikationen sind extreme Ausnahmefälle, nämlich
- ein Krümmungswinkel von größer 75 Grad mit einer Deformität, die nicht mehr vom Patienten toleriert wird oder die mit Schmerzen einhergeht,
- bei neurologischen Defiziten/Rückenmarkkompression oder
- bei Schmerzen, die anderweitig nicht behandelbar sind.
Im Verlauf der OP
- ersetzt der Chirurg die Bandscheiben durch Knochensegmente,
- entfernt Teile der Wirbelkörper und
- setzt metallische Implantate ein.
Grundsätzlich ist die Prognose bei Morbus Scheuermann sehr gut, da die Krankheit nicht zwingend Schmerzen verursacht. Auch lässt sich der Krankheitsverlauf mittels Physiotherapie oder Korsett positiv beeinflussen.
Abhängig vom Ausmaß der Wirbelsäulendeformität können aber auch im späteren Erwachsenenalter Komplikationen auftreten. Mit Beschwerden wie Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen ist zu rechnen, wenn zusätzlich zur Kyphose eine Skoliose besteht oder ein extremer Flachrücken auftritt.