Jeder Mensch verfügt über vier Nebenschilddrüsen. Die Hauptaufgabe dieser Drüsen besteht darin, den Gehalt an Kalzium und Phosphat im Körper mithilfe des Nebenschilddrüsenhormons (Parathormon) zu kontrollieren. Sowohl Kalzium als auch das Phosphat sind für den Knochenaufbau entscheidende Faktoren.
Doch auch im Nervengewebe und in den Muskeln spielt Kalzium eine sehr wichtige Rolle. Tag und Nacht messen die Nebenschilddrüsen den Gehalt an Kalzium im Blut. Fällt dieser zu stark ab, so bewirkt das Parathormon, dass mehr Kalzium aus den Knochenspeichern herausgelöst wird.
Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen (= Hyperparathyreoidismus) wird selbst dann, wenn der Kalziumspiegel im Blut stimmt, zu viel Parathormon ausgeschüttet. Das Kalzium wird aus dem Knochen gelöst, wodurch eine Osteoporose entsteht. Da sich dadurch dauerhaft mehr Kalzium im Blut befindet als der Körper braucht, wird auch vermehrt Kalzium ausgeschieden. Es entstehen Nierensteine.
Schematisch gezeichneter Knochen und Nieren. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Georg Wille.
Beim Hyperparathyreoidismus besteht eine gutartige Vermehrung der Nebenschilddrüsenzellen, so dass sich die Nebenschilddrüse vergrößert (meistens auf einen Durchmesser von ca. 1 cm). Diese sogenannten Nebenschilddrüsenadenome produzieren auch zuviel Parthormon und überschwemmen den Körper damit. Ein Adenom produziert weit über den Bedarf hinaus (kleine unkontrollierte Hormonfabrik).
Nebenschilddrüsenpräparat. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Georg Wille.
Sehr häufig (ca. 80 %) betreffen solche Adenome nur eine der vier Nebenschilddrüsen. Statistiken zufolge finden sich bei Patienten in ca. 20% der Fälle zwei oder mehr betroffene Drüsen. Extrem selten verursacht ein bösartiger Tumor eine Nebenschilddrüsenüberfunktion.
Infolge des gestörten Kalzium-Phosphat-Haushaltes kommt es bei einem Hyperparathyreoidismus zu Veränderungen in der Knochensubstanz. Die Knochen verlieren Kalzium und dadurch auch an Stabilität. Mediziner nennen diese „Knochenweiche“ auch Osteoporose.
Ebenso verbreitet sind Gelenk- und Knochenschmerzen. Bei den Schmerzen des Bewegungsapparates, die durch einen primären Hyperparathyroidismus verursacht werden, kommt es häufig vor, dass sie als unklare Beschwerden verkannt werden, weil keine Erkrankung entdeckt wird. Häufig wird daher auch die Verlegenheitsdiagnose Polymyalgie rheumatica gestellt. Der Schlüssel zur richtigen Diagnose wäre eine Messung des Kalziums und des Parathormons im Blut (in der gleichen Blutprobe).
Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es durch den gestörten Kalzium-Phosphat-Haushalt verstärkt auch zu Nierensteinen. Kalzium-Phosphat-Ablagerungen finden sich häufig in den kleinen Gefäßen, insbesondere in den Nieren, was über längere Zeit zu einer Nierenfunktionstörung führt.
Zum typischen Bild gehören schwer fassbare Symptome wie Müdigkeit, Leistungsabfall und eine stärkere Neigung zu depressiven Verstimmungen. Bluthochdruck, Verstopfung (Obstipation) und Herzrhythmusstörungen können ebenfalls häufig vorkommen.
Das rechtzeitige Erkennen einer Nebenschilddrüsenüberfunktion ist essentiell, um langfristige Schäden zu vermeiden oder diese zumindest zu begrenzen. Leider wird die Erkrankung häufig erst im Rahmen routinemäßiger Blutkontrollen entdeckt. Bei diesen ist oftmals lediglich ein leicht erhöhter Kalziumwert zu finden.
Wenn Ihr Hausarzt Ihnen sagt, dass Ihr Kalzium ein wenig zu hoch sei – dann verlangen Sie eine Bestimmung des Parathormon-Wertes (PTH im Blut). Im Fall, dass dieser Wert auch erhöht ist, liegt eine klare Überfunktion der Nebenschilddrüsen vor.
Eine Szintigraphie und die Ultraschalluntersuchungen sind als bildgebende Verfahren geeignet ,die überfunktionierende Nebenschilddrüse zu lokalisieren.
Beim primären Hyperparathyreoidismus muss das ursächliche Adenom im Rahmen der Nebenschilddrüsenchirurgie operativ entfernt werden. Diese Operation ist minimal-invasiv und wird durch die Patienten sehr gut toleriert. Da in der Regel nicht alle Nebenschilddrüsen gleichermaßen betroffen sind, übernehmen die restlichen Drüsenanteile die wichtige Steuerfunktion im Kalziumhaushalt des Körpers.
Falls eine Operation nicht möglich sein sollte, oder als Überbrückung bis zum eigentlichen OP-Termin, kann der Patient medikamentös z. B. mit sogenannten Calcimimetika behandelt werden. Weitere Medikamente verringern den Kalziumgehalt im Blut und sorgen dafür, dass mehr Kalzium in das Knochengewebe eingelagert wird.
Höhere Flüssigkeitsaufnahme oder Infusionen können zudem Nierensteine verhindern. Darüber hinaus sollten Patienten kalziumreiche Lebensmittel meiden.
Sobald die kranke Nebenschilddrüse operativ entfernt ist und damit das zirkulierende Kalzium normalisiert werden kann, endet auch die Schädigung der betroffenen Organe (Knochen, Niere, Herz).
Die teils jahrelang bestehenden Schmerzen verschwinden sehr häufig unmittelbar nach der Operation. Oft fühlen sich die Patienten nach ein paar Wochen deutlich vitaler, wacher und weniger erschöpft.
Ärzte, die den Hyperparathyreoidismus behandeln, sind in erster Linie die Endokrinologen (saubere Diagnosestellung).
Die Operation sollte ein Chirurg mit ausgewiesener Expertise im Bereich der Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie sein. Hohe Fallzahlen der Operationen erhöhen die Expertise und reduzieren Komplikationen. Diese Tatsache wurde in letzten Jahren mehrfach wissenschaftlich belegt.