„Gliom“ ist die Bezeichnung für eine Reihe von Hirntumoren, die innerhalb des zentralen Nervensystems (ZNS) aus den Gliazellen entstehen.
Diese sind nicht die Nervenzellen des Gehirns selbst. Sie sind Stützzellen, die mit ihren Funktionen die neurophysiologischen Abläufe und Aufgaben optimieren, bzw. erst möglich machen.
Bei Erwachsenen wachsen Gliome bevorzugt im Großhirn, während sie sich bei Kindern eher im Hirnstamm und Kleinhirn ausbilden. Gliome machen etwa 30 bis 50 % aller intrakraniellen Hirntumore aus.
Mit einem Verhältnis von 6:4 sind Männer etwas häufiger betroffen. Die meisten Erkrankungen erfolgen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren. Der tatsächliche Grund für die Erkrankung ist aber noch weitgehend unbekannt.
Tumore entstehen immer dann, wenn die physiologische Zellteilung aus den Fugen gerät. Durch die Zellteilung und Stoffwechselaktivität erfolgen tagtäglich Renovierungsarbeiten, so auch am Erbgut der DNA.
In manchen Fällen kommen diese DNA-Reparaturen den Schäden nicht nach und es bilden sich Mutationen, bzw. defekte DNA-Abschnitte.
Dies kann dazu führen, dass die entarteten Zellen sich unkontrolliert vermehren und krankhaftes Gewebe bilden. Im Fachjargon spricht man in diesen Fällen von einer Neoplasie.
Im Rahmen von Gliomen gibt es eine kleine Untergruppe, deren Genveränderung eine genetische Ursache hat.
Wie beispielsweise:
- der Neurofibromatose oder
- der tuberösen Sklerose
Darüber hinaus können Gliome als Langzeitfolge nach Bestrahlungen auftreten, sodass vorausgegangene Krebserkrankungen dann ein Risikofaktor für neue Gliome sind.
Nach der WHO-Graduierung (World-Health-Organization-Klassifikation) lassen sich Gliome in die Grade I bis IV einordnen. Das bedeutet, dass es sowohl gutartige als auch bösartige Formen gibt.
Diese Einordnung der WHO kommt dann zum Einsatz, wenn Ärzte einen Malignitätsgrad bestimmen sollen.
Durch den Malignitätsgrad lassen sich folgende Faktoren bestimmen:
- Zellulare Ursprung
- Zellzusammensetzung und
- Wachstumsmuster der Gliome
Dadurch ist eine Aussage möglich, wie gut oder bösartig der Tumor tatsächlich ist.
Die WHO-Klassifikation unterscheidet in vier verschiedene Malignitätsgrade:
- WHO-Grad I: gutartig (benigne Tumore)
- WHO-Grad II: noch gutartig
- WHO-Grad III: bereits bösartig
- WHO-Grad IV: bösartig (maligne Tumore)
Die Subgruppen der Gliome zeigen, aus welchen Zellen sie genau gewachsen sind. Dabei sind die Ursprungszellen meistens Namensgeber für die Tumorklasse:
Astrozytome: Astrozytome entstehen aus Astrozyten. Diese Zellen haben im Stützapparat des zentralen Nervensystems die Aufgabe, das Nervengewebe gegenüber der Hirnoberfläche und den Blutgefäßen abzugrenzen.
Astrozytome lassen sich noch in weitere Untergruppen einteilen, die sich aus dem Schweregrad nach der WHO-Klassifikation ergeben.
Während das pilozytische Astrozytom den WHO-Grad I besitzt, gehören diffuse Astrozytome zu Grad II. Anaplastische Astrozytome zu Grad III.
Glioblastome: Diese Tumoren entstehen ebenfalls aus den Astrozyten und stellen eine bösartige, zumeist sehr aggressive Form des Astrozytoms dar. Sie gehören daher dem Grad IV.
Primäre Glioblastome entstehen direkt aus gesunden Astrozyten. Sekundäre Glioblastome gehen aus bereits vorhandenem Tumorgewebe in dieser Region des Gehirns hervor.
Das heißt, dass Astrozytome der Grade II und III sich zu einem Glioblastom umbilden können.
Oligodendrogliom: Wenn Oligodendrozyten, die die einzelnen Nervenbahnen im Gehirn ummanteln, ein Gliom bilden, handelt es sich um ein Oligodendrogliom.
Dieser Hirntumor kommt in den WHO-Graden II und III vor. Er hat zumeist bessere Prognosen als Astrozytome des gleichen Grades.
Ependymome: Im menschlichen Gehirn ist eine Art Bewässerungssystem eingebaut. Es besteht aus inneren und äußeren Hirnwasserräumen. Dort bildet sich jeden Tag Hirnwasser, das der Körper nach außen abtransportiert und resorbiert.
Die inneren Hirnwasserräume sind dabei von Ependymzellen ausgekleidet, welche eine Untergruppe der Gliazellen darstellen.
Entarten diese Ependymzellen, sprechen Mediziner von Ependymomen. Sie haben einen WHO-Grad zwischen I und III.
Ependymome können sowohl in den inneren Hirnkammern als auch im Zentralkanal des Rückenmarks entstehen.
Gangliogliome: Sind Ganglien- oder Schwannzellen vom Tumorwachstum betroffen, handelt es sich um Gangliogliome. Da wir diese Zellen überall im zentralen Nervensystem besitzen, können Gangliome an vielen Stellen vorkommen.
Bevorzugt wachsen sie im Kleinhirn, Hypothalamus oder in den Schläfenlappen. Sie gehören zumeist zu Grad I, können aber auch in den Graden II und III vorkommen.
Darüber hinaus gibt es noch weitere diffuse Gliome und auch Mischformen der obigen Kategorisierungen.
Gliome können sich schleichend oder auch plötzlich bemerkbar machen. Die Symptome sind oft vielfältig. Das liegt vor allem daran, dass Gliome an unterschiedlichen Orten des zentralen Nervensystems entstehen. Sie können somit verschiedene Funktionen beeinflussen.
Oftmals hat ein Wachstum von Gliomen bereits vor einiger Zeit begonnen, bevor Symptome sichtbar und spürbar sind.
Anders als bei manchen anderen Krebserkrankungen ist eine Früherkennung fast unmöglich. So gibt es keine spezifischen Tumormarker für Gliome, sondern nur bildgebende Verfahren.
Die ersten Anzeichen und Symptome von Gliomen können vielfältig sein. Oftmals sind sie sehr diffus und von der Lokalisation abhängig.
Die folgenden Symptome können auftreten:
- Kopfschmerzen - vor allem morgens und nachts
- Übelkeit und Erbrechen
- Müdigkeit und Schlaflosigkeit
- Leistungsverminderung
- Krampfanfälle
- Wesensveränderungen
- Sprachschwierigkeiten
- Lähmungserscheinungen
- Sensibilitätsstörungen
- Koordinationsstörungen und Gangunsicherheit
- Sehstörungen
Sollte sich aufgrund der Symptome der Verdacht auf einen Hirntumor oder ein Gliom ergeben, ist eine schnelle Diagnostik notwendig. Dies geschieht mittels MRI.
Oftmals schließen Ärzte zu Beginn mittels CT einen akuten Schlaganfall aus. Die detaillierte Darstellung der feingeweblichen Hirnstrukturen ist allerdings nur in der MRT möglich.
Computertomographie
Computertomographien stellen eine leicht verfügbare Bildgebung dar. Ärzte verschaffen sich so einen Überblick und schließen Schlaganfälle aus.
MRT mit Kontrastmittel: Hierbei erfolgt eine Bildgebung in einem Magnetresonanztomographen. Bei den Gliomen der WHO-Grade III und IV nehmen die Tumorzellen in der Regel Kontrastmittel auf.
Damit ist die Raumforderung noch besser sichtbar. Für die Operationsplanung erfolgen die MRI Sequenzen in 3D und gelegentlich in 4D.
Neben dem Tumor lassen sich somit auch funktionelle Zentren und Faserbahnen erfassen und in Relation zum Tumor darstellen.
Für eine präzise Operation ist diese Information sehr wichtig. Bei diffusen Tumoren ist eine metabolische Bildgebung (PET, Positronen-Emissions-Tomographie) hilfreich. Dabei sind durch radioaktive Aminosäuren besonders aktive Bereiche sichtbar.
Biopsie
Die Entnahme von Zellen erfolgt im Zuge einer kleinen Operation. Ärzte können die Zellen danach im Labor untersuchen und bestimmen lassen.
Das liefert Informationen über den Ursprung und den Malignitätsgrad. Die endgültige Diagnose, die für eine optimale Therapie elementar ist, ist nur durch diese histopathologische Untersuchung möglich. Deswegen ist eine Operation, bzw. eine Biopsie zur Gewinnung von Gewebe in jedem Fall notwendig.
Via MRT lassen sich Gliome diagnostizieren
Da manche Formen von Gliomen einen hohen Malignitätsgrad aufweisen und schnell wachsen, ist eine frühzeitige Behandlung notwendig.
Die Therapie ist bei jedem Patienten individualisiert und auf die erkrankte Person zugeschnitten.
Folgende Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle:
- Alter
- Allgemeiner Zustand und
- Malignitätsgrad sowie
- Umfang des Tumors
Gliome lassen sich wie die meisten anderen Hirntumore durch Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie behandeln:
Operation
Ziel einer Operation zur Behandlung von Gliomen ist die möglichst vollständige Resektion und die Gewebeentnahme für eine histopathologische Untersuchung.
Bei WHO-Grad I ist eine vollständige Tumorentfernung in vielen Fällen möglich. Problematisch ist oft die Lage des Glioms, denn sie verhindert eine makroskopisch vollständige Entfernung, ohne dabei Folgeschäden zu riskieren.
Dabei gilt grundsätzlich das Credo «Funktion über Resektion.» Bei Gliomen bestimmt die Resektion daher oftmals die Prognose.
Deswegen greifen Ärzte während der Operation auf verschiedenste Techniken zur Optimierung des Resektionsergebnisses bei Schonung des vitalen Hirngewebes zurück.
Die Neurochirurgie nutzt dabei intraoperative Bildgebung Techniken wie MRT und Ultraschall kombiniert mit intraoperativer 3D-Navigation.
Zudem können Ärzte verschiedene Hirnfunktionen wie die Motorik, verschiedene Hirnnerven oder das Empfinden der Sensibilität mittels intraoperativer Elektrophysiologie überwachen.
Die Distanz zu Nervenbahnen ist währenddessen wie ein elektrischer Radar während der Operation in Echtzeit.
So kann der Arzt die Operation möglichst radikal, aber gleichzeitig funktionserhaltend, durchführen. In manchen Fällen kommen auch Wach-Operationen zum Einsatz, um die Sprachfunktion zu kontrollieren.
Anschließende Chemotherapie und/oder Bestrahlung
Sobald die endgültige Diagnose durch die Histopathologie feststeht, berät sich ein interdisziplinäres Team.
Das Team besteht meist aus:
Gemeinschaftlich diskutieren die Mediziner jeden Patientenfall individuell. Je nach Diagnose entwickeln sie ein möglichst optimales Konzept.
Je nach WHO-Klasse und WHO-Grad kann eine anschließende Bestrahlung oder Chemotherapie sinnvoll sein. Gegebenenfalls finden diese kombiniert statt.
Tumortherapiefelder
Im Falle von Glioblastomen können Ärzte zudem auf sogenannte Tumortherapiefelder (TTF, tumor treating fields) zurückgreifen.
Eine Haube erzeugt Magnetfelder, die das Zellwachstum des Tumors hemmen können. Studien belegten die Wirksamkeit dieser Methode. Deshalb sollten Ärzte sie im Falle von Glioblastomen immer als Option in Betracht ziehen.
Die Prognose bei einem Gliom-Patienten hängt von folgenden Faktoren ab:
- Lokalisation
- Größe
- Biologischen Eigenschaften des Glioms
Bösartige Gliome wachsen unbehandelt oft schnell und zerstörend. Es ist daher besonders wichtig, eine frühzeitige Diagnose zu stellen und mit der Behandlung zu beginnen.
Die bestmögliche mikrochirurgische Tumorentfernung unter Ausschöpfung aller technischen Mittel und Methoden ist das zentrale Element zur Verbesserung der Langzeitprognose.