Gliome - Informationen und Spezialisten finden

29.06.2021
Prof. Dr. med. Ralf A. Kockro
Medizinischer Fachautor

Bei Gliomen handelt es sich um einen Überbegriff für Hirntumoren, die in den Gliazellen des Nervengewebes entstehen. Je nach Art und Lokalisation der Ursprungszelle werden sie in verschiedene Arten unterteilt. Was Sie über Anzeichen, Diagnose und Behandlung von Gliomen wissen müssen, haben wir Ihnen in diesem Artikel kurz zusammengefasst.

Außerdem finden Sie hier ausgewählte Gliom-Spezialisten.

ICD-Codes für diese Krankheit: C71

Empfohlene Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist ein Gliom? Ein Überbegriff für verschiedene Hirntumoren, die sich in den Gliazellen des Nervengewebes des Gehirns bilden. Betroffen sind meistens Menschen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren.
  • Formen & Grade: Die WHO unterscheidet vier Grade. Je nachdem, welches Wachstumsmuster vorliegt. Grad I-Gliome sind gutartig und wachsen eher langsam und verdrängend. Dahingegen werden Grad IV-Gliome als bösartig eingestuft, da sie das Hirngewebe und Gefäße infiltrieren. Je nach Ursprung des Tumors unterscheiden Ärzte zahlreiche Unterformen.
  • Symptome: Ein Gliom verursacht eher unspezifische Symptome. Es kann zu Kopfschmerzen (vor allem nachts und morgens), Übelkeit und Erbrechen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit, epileptischen Anfällen und weiteren Symptomen kommen. Je nach spezieller Lokalisation können beispielsweise Sprach-, Seh- und Sensibilitätsstörungen oder auch Lähmungen auftreten.
  • Diagnose: Mit einer CT oder einer MRT können Mediziner den Tumor entdecken. Nur das MRT (MRI) kann die feingeweblichen Strukturen der Tumoren detailliert darstellen. Die endgültige Diagnose über den WHO-Grad und die Tumorklasse stellt der Pathologe unter dem Mikroskop. Dazu ist es notwendig, Gewebe über eine Tumorentfernung oder -biopsie zu gewinnen.
  • Behandlung: In den meisten Fällen ist die schnellstmögliche Operation der erste und sinnvollste Schritt des Therapiekonzeptes. Darüber hinaus kann sich je nach Tumorklasse und WHO-Grad eine Bestrahlung und/oder Chemotherapie anschließen. Die individuelle Entscheidung darüber treffen Experten der Onkologie und Strahlentherapie interdisziplinär.
  • Prognose: Prinzipiell gilt, je schneller behandelt wird, desto besser sind die Aussichten. Patienten mit niedriggradigen Gliomen haben bei optimaler Chirurgie und der entsprechenden Anschlussbehandlung zu etwa 90 % die Aussicht auf langfristiges Überleben. Bei höhergradigen Gliomen mit bösartigem Wachstum ist die Prognose ungünstiger.

Artikelübersicht

Gliome – eine kurze Definition

„Gliom“ ist die Bezeichnung für eine Reihe von Hirntumoren, die innerhalb des zentralen Nervensystem (ZNS) aus den sogenannten Gliazellen entstehen. Diese sind nicht die Nervenzellen des Gehirns selbst. Sie sind Stützzellen, die mit ihren Funktionen die neurophysiologischen Abläufe und Aufgaben optimieren, bzw. erst möglich machen. Bei Erwachsenen wachsen Gliome bevorzugt im Großhirn, während sie sich bei Kindern eher im Hirnstamm und Kleinhirn ausbilden. Gliome machen etwa 30 bis 50 % aller intrakraniellen Hirntumore aus. Mit einem Verhältnis von 6:4 sind Männer etwas häufiger betroffen. Die meisten Erkrankungen erfolgen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren. Der tatsächliche Grund für die Erkrankung ist aber noch weitgehend unbekannt.

Hirntumor

Tumore entstehen immer dann, wenn die physiologische Zellteilung aus den Fugen gerät. In jeder Zelle werden tagtäglich im Rahmen der Zellteilung und Stoffwechselaktivität «Renovierungsarbeiten» vorgenommen, so auch am Erbgut – der DNA. In manchen Fällen kommen diese DNA-Reparaturen den Schäden nicht nach und es bilden sich Mutationen, bzw. defekte DNA-Abschnitte. Dies kann dazu führen, dass die entarteten Zellen sich unkontrolliert vermehren und krankhaftes Gewebe bilden. Im Fachjargon spricht man in diesen Fällen von einer Neoplasie.

Im Rahmen von Gliomen gibt es eine kleine Untergruppe, deren Genveränderung genetischen Ursprungs sind – wie beispielsweise der Neurofibromatose I oder der tuberösen Sklerose. Darüber hinaus können Gliome als Langzeitfolge nach Bestrahlungen auftreten, sodass vorausgegangene Krebserkrankungen dann ein Risikofaktor für neue Gliome sind.

Die WHO-Graduierung bestimmt den Malignitätsgrad von Gliomen

Nach der gängigen WHO-Graduierung (World-Health-Organization-Klassifikation) werden Gliome in die Grade I bis IV eingeordnet, was bedeutet, dass es sowohl gutartige als auch bösartige Formen gibt. Diese Einordnung der WHO wird generell dann eingesetzt, wenn ein Malignitätsgrad bestimmt werden soll. Das heißt im Wesentlichen, dass der zellulare Ursprung, die Zellzusammensetzung und das Wachstumsmuster der Gliome bestimmt werden. Dadurch kann eine Aussage getroffen werden, wie gut- oder bösartig der Tumor tatsächlich ist.

Laut WHO-Klassifikation kann in vier verschiedene Malignitätsgrade unterschieden werden:

  • WHO-Grad I: gutartig (benigne Tumore)
  • WHO-Grad II: noch gutartig
  • WHO-Grad III: bereits bösartig
  • WHO-Grad IV: bösartig (maligne Tumore)

Die WHO-Klassifikation der Gliome in weitere Subkategorien

Die Subgruppen der Gliome werden dahingehend unterschieden, aus welchen Zellen sie genau gewachsen sind. Dabei sind die Ursprungszellen meistens Namensgeber für die Tumorklasse:

  • Astrozytome: Astrozytome entstehen aus Astrozyten. Diese Zellen haben im Stützapparat des zentralen Nervensystems die Aufgabe, das Nervengewebe gegenüber der Hirnoberfläche und den Blutgefäßen abzugrenzen. Astrozytome werden noch in weitere Untergruppen dividiert, die sich aus dem Schweregrad nach der WHO-Klassifikation ergeben. Während das pilozystische Astrozytom den WHO-Grad I besitzt, gehören diffuse Astrozytome zum Grad II und anaplastische Astrozytome zum Grad III.
  • Glioblastom: Diese Tumoren entstehen ebenfalls aus den Astrozyten und stellen eine bösartige, zumeist sehr aggressive Form des Astrozytoms dar. Sie werden daher dem Grad IV zugeteilt. Primäre Glioblastome entstehen direkt aus gesunden Astrozyten. Sekundäre Glioblastome gehen aus bereits vorhandenem Tumorgewebe in dieser Region des Gehirns hervor. Das heißt, dass Astrozytome der Grade II und III sich zu einem Glioblastom umbilden können.
  • Oligodendrogliom: Wenn Oligodendrozyten, die die einzelnen Nervenbahnen im Gehirn ummanteln, ein Gliom bilden, handelt es sich um ein Oligodendrogliom. Dieser Hirntumor kommt in den WHO-Graden II und III vor und hat zumeist bessere Prognosen als Astrozytome des gleichen Grades.
  • Ependymome: Im menschlichen Gehirn ist eine Art Bewässerungssystem eingebaut. Es besteht aus inneren und äußeren Hirnwasserräumen, in denen jeden Tag Hirnwasser gebildet, nach außen abtransportiert und dort resorbiert wird. Die inneren Hirnwasserräume sind dabei von Ependymzellen ausgekleidet, welche eine Untergruppe der Gliazellen darstellen. Entarten diese Ependymzellen spricht man von Ependymomen, die einem WHO-Grad zwischen I und III entsprechen können. Ependymome können sowohl in den inneren Gehirnkammern als auch im Zentralkanal des Rückenmarks entstehen.
  • Gangliogliome: Sind Ganglien- oder Schwannzellen vom Tumorwachstum betroffen, handelt es sich um Gangliogliome. Da wir diese Zellen überall im zentralen Nervensystem besitzen, können Gangliome an vielen Stellen vorkommen. Bevorzugt wachsen sie im Kleinhirn, Hypothalamus oder in den Schläfenlappen. Sie sind zumeist dem Grad I zugeordnet, können aber auch in den Graden II und III vorkommen.

Darüber hinaus gibt es noch weitere diffuse Gliome und auch Mischformen der obigen Kategorisierungen.

Anzeichen und Symptome von Gliomen

Gliome können sich schleichend oder auch plötzlich bemerkbar machen. Die Symptome sind oft vielfältig. Das liegt vor allem daran, dass Gliome an unterschiedlichen Orten des zentralen Nervensystems entstehen und somit verschiedene Funktionen beeinflussen können.

Oftmals hat ein Wachstum von Gliomen bereits vor einiger Zeit begonnen, bevor Symptome sichtbar und spürbar werden. Anders als bei manchen anderen Krebserkrankungen ist eine Früherkennung fast unmöglich – so gibt es keine spezifischen Tumormarker für Gliome, sondern nur bildgebende Verfahren.

Die ersten Anzeichen und Symptome von Gliomen können vielfältig sein, oftmals sehr diffus und von der Lokalisation abhängig. Die folgenden Symptome können auftreten:

  • Kopfschmerzen - vor allem morgens und nachts;
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Müdigkeit und Schlaflosigkeit
  • Leistungsverminderung;
  • Krampfanfälle
  • Wesensveränderungen
  • Sprachschwierigkeiten
  • Lähmungserscheinungen
  • Sensibilitätsstörungen
  • Koordinationsstörungen und Gangunsicherheit
  • Sehstörungen

So werden Gliome diagnostiziert

Sollte sich aufgrund der oben genannten Symptome der Verdacht auf einen Hirntumor, beziehungswiese auf ein Gliom, ergeben, ist eine schnellstmögliche Diagnostik mittels MRI notwendig. Oftmals wird zu Beginn mittels CT ein akutes Schlaganfallgeschehen ausgeschlossen. Die detaillierte Darstellung der feingeweblichen Hirnstrukturen ist allerdings nur in der MRT möglich.

  • CT: Computertomografien stellen eine leicht verfügbare Bildgebung dar, mit welcher ein Überblick hergestellt und Schlaganfälle ausgeschlossen werden können.
  • MRT mit Kontrastmittel: Hierbei wird eine Bildgebung in einem Magnetresonanztomographen durchgeführt. Bei den Gliomen der WHO-Grade III und IV nehmen die Tumorzellen in der Regel Kontrastmittel auf. Damit kann die Raumforderung noch besser dargestellt werden. Für die Operationsplanung werden die MRI Sequenzen in 3D und gelegentlich 4D durchgeführt. Neben dem Tumor können somit auch funktionelle Zentren und Faserbahnen erfasst und in Relation zum Tumor dargestellt werden. Für eine präzise Operation ist diese Information sehr wichtig. Bei diffusen Tumoren ist eine metabolische Bildgebung (PET, Positronen-Emissions-Tomographie) hilfreich, bei der durch radioaktive Aminosäuren besonders aktive Bereiche sichtbar werden.
  • Biopsie: Die Entnahme von Zellen erfolgt im Zuge einer kleinen Operation. Die Zellen können danach im Labor untersucht und genau bestimmt werden. Das liefert Informationen über den Ursprung und den Malignitätsgrad. Die endgültige Diagnose, die für die Konzeption eines optimalen Therapieregimes elementar ist, kann nur durch diese histopathologische Untersuchung gestellt werden. Deswegen ist eine Operation, bzw. eine Biopsie zur Gewinnung von Gewebe in jedem Fall notwendig.
MRT Gehirn
Via MRT können Gliome diagnostiziert werden

Gliome behandeln und bekämpfen

Da manche Formen von Gliomen einen hohen Malignitätsgrad aufweisen und schnell wachsen können, ist eine frühzeitige Behandlung nach Bekanntwerden der Erkrankung notwendig. Die Therapie ist bei jedem Patienten individualisiert und auf die erkrankte Person zugeschnitten. Faktoren wie

  • Alter,
  • allgemeiner Zustand und
  • Malignitätsgrad sowie
  • Umfang des Tumors

 spielen dabei eine wichtige Rolle.

Gliome werden wie die meisten anderen Hirntumore durch Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie behandelt:

Operation:

Ziel einer Operation zur Behandlung von Gliomen ist die möglichst vollständige Resektion und die Gewebeentnahme für eine histopathologische Untersuchung. Bei WHO-Grad I ist eine vollständige Tumorentfernung in vielen Fällen möglich. Problematisch ist oft die Lage des Glioms, denn sie verhindert eine makroskopisch vollständige Entfernung, ohne dabei Folgeschäden zu riskieren. Dabei gilt grundsätzlich das Credo «Funktion über Resektion.» Bei Gliomen bestimmt die Resektion daher oftmals die Prognose. Deswegen wird während der Operation auf verschiedenste Techniken zur Optimierung des Resektionsergebnisses bei gleichzeitiger Schonung des vitalen Hirngewebes zurückgegriffen. Unter anderem macht man sich in der Neurochirurgie intraoperative Bildgebungstechniken wir MRT und Ultraschall kombiniert mit intraoperativer 3D-Navigation zu Nutze. Zudem kann man verschiedene Hirnfunktionen wie die Motorik, verschiedene Hirnnerven oder das Empfinden der Sensibilität mittels intraoperativer Elektrophysiologie überwachen. Dabei wird die Distanz zu Nervenbahnen vergleichbar mit einem elektrischen Radar während der Operation in Echtzeit gemessen. So kann der Arzt die Operation möglichst radikal, aber gleichzeitig funktionserhaltend, durchführen. In manchen Fällen werden auch Wach-Operationen durchgeführt, in denen die Sprachfunktion kontrolliert werden kann.

Die anschließende Chemotherapie und/oder Bestrahlung

Sobald die endgültige Diagnose durch die Histopathologie feststeht, berät sich ein interdisziplinäres Team aus Neurochirurgen, Neuroradiologen, Onkologen, Strahlentherapeuten und Neurologen. In einer gemeinschaftlichen Diskussion wird jeder Patientenfall individuell besprochen und je nach Diagnose ein möglichst optimales Konzept entwickelt. Je nach WHO-Klasse und WHO-Grad kann eine anschließende Bestrahlung oder Chemotherapie sinnvoll sein. Gegebenenfalls finden diese kombiniert statt.

Tumortherapiefelder

Im Falle von Glioblastomen kann zudem auf sogenannte Tumortherapiefelder (TTF, tumor treating fields) zurückgegriffen werden. Durch das Anlegen einer Haube werden Magnetfelder erzeugt, die das Zellwachstum des Tumors hemmen können. In Studien wurde die Wirksamkeit dieser Methode belegt. Deshalb sollte sie im Falle von Glioblastomen immer als Option in Betracht gezogen werden.

Risiken und Prognose

Die schlussendliche Prognose bei einem Gliom-Patienten hängt von der Lokalisation und Größe sowie von den biologischen Eigenschaften des Glioms ab. Bösartige Gliome wachsen unbehandelt oft schnell und destruierend und daher ist es besonders wichtig, eine frühzeitige Diagnose zu stellen und mit der Behandlung zu beginnen, bevor das Tumorwachstum weit fortgeschritten ist. Die bestmögliche mikrochirurgische Tumorresektion unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden technischen Mittel und Methoden ist dabei das zentrale Element zur Verbesserung der Langzeitprognose.

Quellen

  • https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-099l_S2k_Gliome_2015-06-abgelaufen.pdf
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/79090/Die-Gliome-des-Erwachsenen
  • https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/gliome-im-erwachsenenalter/@@guideline/html/index.html
  • https://flexikon.doccheck.com/de/Gliom
  • https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/hirntumor/ependymom.html
  • https://www.hirntumorhilfe.de/hirntumor/tumorarten/
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/197934/Behandlung-von-Gliomen-im-Erwachsenenalter
Whatsapp Twitter Facebook Instagram YouTube E-Mail Print