Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des Menschen. Deswegen ist es besonders anfällig für Instabilitäten oder Luxationen (Ausrenkungen). Das Gelenk hat nur eine geringe knöcherne Führung. Für die nötige Stabilität sorgen deswegen die umgebenden Weichteile. Dazu zählen
- Bänder,
- die Gelenkkapsel,
- die Muskulatur und
- das Labrum (Gelenklippe).
Intakte Gelenkstrukturen gewährleisten die Stabilität des Schultergelenks und dessen großen Bewegungsumfang.

Die Anatomie der Schulter mit ihren Knochen- und Weichteilstrukturen © bilderzwerg / Fotolia
Eine Schulterinstabilität kann entstehen, wenn
- einer oder mehrere dieser Bausteine verletzt werden (unfallbedingte bzw. traumatische Instabilität) oder
- die Strukturen anlagebedingt keine genügende Festigkeit aufweisen bzw. nicht optimal ausgebildet sind (habituelle Instabilität).
Bei der anlagebedingten Schulterinstabilität kann es schon durch alltägliche Bewegungen zu einer Schulterluxation kommen. In Extremfällen kann schon das Ankleiden oder Schwimmen zu einer Verrenkung führen.
Grund hierfür ist ein laxer Kapsel-Bandapparat, der ein zu großes Bewegungsspiel der Schulter zulässt und sie nicht genügend sichern kann. Schon bei geringer Krafteinwirkung ist eine Teilausrenkung (Subluxation) oder vollständige Ausrenkung (Luxation) möglich. Das Risiko für wiederholte Schulterluxationen bei der habituellen Schulterinstabilität ist hoch.
Bei der unfallbedingten Instabilität wird das erste Luxationsereignis durch einen Unfall (z.B. Sport) ausgelöst. Dieser Erstunfall führt meist zu einer Abscherung der Gelenklippe vom Pfannenrand sowie zu einer Überdehnung der Gelenkkapsel. Häufig kommt es auch zu knöchernen und knorpeligen Schäden an Gelenkpfanne und Oberarmkopf.
Eine akute Schulterluxation muss baldmöglichst wieder eingerenkt werden (Reposition). Meistens bedarf es dafür einer leichten Narkose.
Die traumatische Schulterluxation geschieht in über 90 Prozent der Fälle nach vorne – unten. Die Gelenklippe schert in der Regel ebenfalls in diese Luxationsrichtung vom knöchernen Pfannenrand ab. Daher sind vordere Instabilitäten am häufigsten zu finden.
Reißt die Gelenklippe der Gelenkpfanne ganz oder in Teilen ab, wird diese Verletzung Bankart-Läsion genannt. In der Folge besteht in Abhängigkeit von Lebensalter und dem Ausmaß der körperlichen Aktivität des Patienten ein erhöhtes Risiko für eine oder mehrere erneute Schulterluxationen.
Eine operative Stabilisierung ist somit dann anzuraten, wenn
- der Patient jung ist,
- er sportlich ambitioniert ist oder Risikosportarten ausübt und
- der dominante Arm betroffen ist.
Im ausgerenkten Zustand leidet der Patient an massiven Schmerzen und Bewegungsunfähigkeit im betroffenen Schultergelenk. Patienten mit einer Instabilität haben in der Regel keine oder nur geringe Schmerzen.
Das Hauptproblem ist die Angst vor einer weiteren Luxation. Der Betroffene meidet daher bestimmte Bewegungen im alltäglichen Leben, was teilweise erhebliche Probleme in der Bewältigung des Alltags nach sich zieht. Dies ist ein besonders großes Problem für Leute, die mit ihren Händen über dem Kopf arbeiten oder eine „Überkopf-Sportart“ (z.B. Tennis) ausüben.
Ein häufiges Luxieren der Schulter birgt zusätzlich die Gefahr der Entstehung von Knorpelschäden an der Gelenkoberfläche. Die Folge kann ein frühzeitiger Schultergelenkverschleiß (Omarthrose) sein.
Für eine zielführende Therapie muss der Arzt genau wissen, welche Verletzung bei seinem Patienten vorliegt. Die Diagnose hat daher das Ziel, den genauen Luxationsmechanismus zu identifizieren.
Bei der körperlichen Untersuchung überprüft und beurteilt der Arzt das Ausmaß der Schulterinstabilität im Vergleich zur Gegenseite. Dabei kann er auch die Richtung, in die die Schulter aus dem Gelenk rutscht, festgestellen.
Mittels Kernspintomografie (MRT) lassen sich die Weichteile, die für die Stabilität der Schulter maßgeblich sind, darstellen. Der Arzt ist somit in der Lage, die verletzten Strukturen des Kapsel-Bandapparates schon vor der Operation zu identifizieren. Diese Kenntnisse nutzt er für seine Behandlungsstrategie bzw. eine eventuelle operative Therapie.
Anhand von Röntgenbildern kann der Arzt knöcherne Defekte oder Formabweichungen an Oberarmkopf und Gelenkpfanne entdecken. In einigen Fällen, bei denen eine schwerwiegende knöcherne Defektsituation vermutet wird, kann eine CT-Untersuchung des Schultergelenkes notwendig sein.
Eine akut ausgerenkte Schulter (Schulterluxation) sollte als Notfall baldmöglichst eingerenkt werden. Mehr als die Hälfte der Patienten jenseits des 30. bis 35. Lebensjahres erleiden keine weitere Schulterluxation. Eine operative Therapie ist daher nicht notwendig.
Bei Patienten über 50 Jahre ist unbedingt eine gleichzeitige Sehnenruptur (Rotatorenmanschetteriss) auszuschließen. Wenn ein solcher Sehnenriss entdeckt wird, muss er ebenfalls behandelt werden.
Patienten unter 20 erleiden fast alle später weitere Schulterluxationen. In diesen Fällen empfehlen Ärzte daher eine operative Stabilisierung. Das gilt auch für Überkopfarbeiten oder Sportarten mit Gegnerkontakt.
Ansonsten ist ein konservativer Therapieversuch mit 3-wöchiger Ruhigstellung, heute meist in Außenrotation, sinnvoll. Danach folgt eine Physiotherapie zur Kräftigung der Muskeln der Rotatorenmanschette und der schulterblattzentrierenden Muskeln.
Der Eingriff ist offen oder arthrokopisch möglich. Das Ziel des Eingriffs ist eine stabile, aber gut bewegliche Schulter. Im Video sehen Sie, wie eine Schulterarthroskopie zur Diagnose und Therapie abläuft:
Die Operation bei der Schulterinstabilität zielt auf die Wiederherstellung eines stabilen Kapsel-Labrumkomplexes ab. Die erweiterte Gelenkkapsel soll gerafft und im Falle eines Gelenklippenabrisses soll diese wieder an der knöchernen Gelenkpfanne refixiert werden.
In den meisten Fällen werden dazu kleine Nahtanker verwendet, die sich wie Dübel oder kleine Schrauben im Schulterblatt befestigen lassen. Sie sind mit Fäden versehen, mit denen die abgerissenen Strukturen befestigt werden. In den letzten Jahren hat sich die arthroskopische Operationstechnik für dieses Krankheitsbild wesentlich weiterentwickelt. Eine Operation der Bankart-Läsion, bei der die Gelenklippe beschädigt ist, zeigt das Video:
Die Nachbehandlung erfolgt frühfunktionell. Die rekonstruierten Weichteilstrukturen sollen heilen können dauerhaft stabil sein. Daher muss der Arm für 3 bis 4 Wochen in einem abnehmbaren Schulterverband gelagert werden. In dieser Phase werden bereits passiv limitierte Bewegungsübungen durch einen speziell geschulten Physiotherapeuten durchgeführt. Das wirkt einer Einsteifung der Schulter entgegen.
Nach 4 bis 6 Wochen beginnt die aktive Krankengymnastik und Trainingstherapie. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach den arbeitsplatzspezifischen Belastungen. Bei Überkopfarbeit muss mit einem Zeitraum von 2 bis 3 Monaten gerechnet werden. Überkopfarbeit und Kontaktsportarten sollten erst nach ca. 5 bis 6 Monaten wiederaufgenommen werden.
Die Prognose nach einer operativen Schulterstabilisierung ist gut, in über 90 Prozent der Fälle kann ein stabiles Gelenk erreicht werden.