Das Schultergelenk ermöglicht Armbewegungen in mehreren Richtungen. Das macht es zu einem sehr komplexen Gelenk. Für viele dieser Bewegungen ist die Rotatorenmanschette zuständig.
Die Rotatorenmanschette ist eine Gruppe von vier Muskeln, den sogenannten Rotatoren. Die Rotatoren ziehen vom Schulterblatt zum Oberarmknochen. Ihre Ansätze wickeln sich wie eine Manschette um den Kopf des Oberarmknochens. Dadurch können sie den Arm drehen, bzw. rotieren.
Gleichzeitig kann eine gemeinsame Anspannung dieser Muskeln den Oberarmkopf in die Gelenkspfanne drücken und das Gelenk stabilisieren. Neben der Bewegung in verschiedene Richtungen ist die Rotatorenmanschette also auch für die Stabilität der Schulter zuständig.
Naturgemäß entstehen in dieser Doppelrolle hohe Belastungen für das Gewebe. Schädlich für die Rotatorenmanschette sind sowohl
- kurze Belastungsspitzen beim Sport oder Sturz als auch
- lange und stark repetitive Belastungen im Alltag.
Die Rotatorenmanschettenruptur ist eine häufige Erkrankung im Schulterbereich. Sie bezeichnet einen Riss im Bereich der Rotatorenmanschette (ICD-Code: S46/ M75.1).
Typischerweise betreffen Verletzungen die Sehne, die die Kraft des bewegenden Muskels auf den statischen Knochen weiterleitet.
Diese Probleme reichen
- von Verquellung und Zerquetschung der Sehnen über
- kleine Einrisse an der Oberfläche
- bis hin zum kompletten Abriss mehrerer Muskelsehnen.
Darstellung der Rotatorenmanschette an der Schulter © logo3in1 | AdobeStock
Abnutzung und Rupturen der Rotatorenmanschette sind daher häufige Gründe für eine OP im Rahmen der Schulterchirurgie.
Da viele Rotatorenmanschettenrupturen keine Symptome verursachen, werden sie oft nicht erkannt. So lässt sich auch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie häufig solche Risse auftreten.
Vor dem 40. Lebensjahr treten nur äußerst selten Rotatorenmanschettenrisse auf. Mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit an. Eine Studie identifizierte bei über 80 % der über 80-Jährigen einen Riss der Rotatorenmanschette.
Abnutzungserscheinungen und Unfälle sind die häufigsten Ursachen für eine Rotatorenmanschettenruptur.
Oftmals reißt die Rotatorenmanschette nach einem Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm. Solche Unfälle sind mit 70 % der Fälle die häufigste Ursache bei Rupturen ohne Abnutzungserscheinungen.
Rotatorenmanschettenrupturen auf der Grundlage einer degenerativen Vorschädigung sind insgesamt aber häufiger. Unter degenerativen Veränderungen versteht man Verschleißerscheinungen.
Es gibt auch Mischformen, bei denen Patienten mit degenerativer Vorschäden einen Bagatellunfall erleben. Dieser vergrößert den vorhandenen Defekt und löst Symptome aus.
Die Schultergelenkluxation bei einem Patienten über 40 Jahre führt in 40 bis 70 Prozent der Fälle zu einer Rotatorenmanschettenruptur.
Obwohl die Symptome einer Rotatorenmanschettenruptur recht eindeutig sind, ist die Schmerzstärke sehr unterschiedlich. Ein großer Teil der Rotatorenmanschettenrupturen verursachen keine Beschwerden, besonders bei kleineren degenerativen Rissen. Bei diese langsam entstehenden Rissen hatte die Schulter genug Zeit, sich dem Problem anzupassen.
Akute Massenrupturen haben hingegen sehr deutliche Beschwerden.
Die häufigsten Schulterbeschwerden bei Rotatorenmanschettenläsion sind Schmerzen, speziell bei Tätigkeiten über Kopf. Die wichtigsten Beschwerden für einen Sehnenriss sind jedoch Nachtschmerz und eingeschränkte Kraft.
Die Diagnose einer Rotatorenmanschettenruptur setzt sich aus
- einer gezielten Befragung (Anamnese),
- der klinischen Untersuchung und
- der bildgebenden Untersuchung
zusammen.
Die klinische Untersuchung umfasst
- die Prüfung des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes in allen Freiheitsgraden und
- die isometrische Kraftprüfung.
Zusätzlich gibt es spezielle Funktionstests. Damit lassen sich die einzelnen Muskeln der Rotatorenmanschette isoliert testen. Die Aussagekraft aller Rotatorenmanschettenfunktionstests kann aber durch Schmerzen während der Untersuchung deutlich beeinträchtigt werden.
Als Basisdiagnostik für krankhafte Veränderungen der Rotatorenmanschette gelten Röntgenaufnahmen in drei Ebenen. Hierzu sind
- die Aufnahme mit korrekter Einstellung des Gelenkspaltes,
- die Axialaufnahme und
- die Y-Aufnahme geeignet.
Auf Grundlage dieser Aufnahmen lassen sich Veränderungen des knöchernen Gelenkes einschätzen.
Die Ultraschalluntersuchung ermöglicht den schnellen und kostengünstigen Rotatorenmanschettenbefund. Damit lassen sich einfache Degenerationen und komplette Rotatorenmanschettenrupturen mit hoher Genauigkeit diagnostizieren. Gleichzeitig ist es möglich, die lange Bizepssehne hinsichtlich der Stabilität und der Begleitentzündung zu beurteilen.
In den letzten Jahren hat sich die Magnetresonanztomografie (MRT) in der Schulterdiagnostik als äußerst hilfreich etabliert. Ihre Genauigkeit wird durch die gelenkseitige Gabe von Kontrastmitteln in der sogenannten Kontrastmittel-MR-Arthrografie noch weiter erhöht.
Die Computertomografie (CT) spielt dagegen in der Rotatorenmanschettendiagnostik keine bedeutende Rolle mehr. Die MRT hat sie weitgehend verdrängt. Vereinzelt dient eine CT noch zur Beurteilung von fettigen Degenerationen des Muskels.
Die therapeutischen Optionen richten sich nach einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Sie werden im Detail analysiert und sind vom Befund abhängig. Ein standardisiertes therapeutisches Vorgehen gibt es nicht.
Kriterien zur Therapieentscheidung sind:
- Alter des Patienten,
- Rissursache,
- Aktivitätsgrad des Patienten,
- Rissform,
- Rissgröße,
- Sehnenqualität und
- Muskelqualität.
Aus diesen Kriterien ergeben sich zahlreiche Therapiemöglichkeiten, die sich je nach Einzelfall einsetzen lassen.
In vielen Fällen ist eine konservative, nichtoperative Therapie eine gute Wahl und kann gute Ergebnisse bringen. Dies kann durch biologische Methoden wie ACP unterstützt werden. Speziell bei langsam aufgetreten, degenerativen Rotatorenmanschettendefekten behandelt man zunächst konservativ.
Tritt allerdings innerhalb von drei Monaten keine deutliche Verbesserung ein, kann eine Operation nötig werden.
Die Risse der Rotatorenmanschette haben die Tendenz, sich zu vergrößern. Der Erfolg der konservativen Therapie hält daher zumeist nicht für immer. Die Hälfte der Patienten entwickelt über 3-5 Jahre neue Symptome und bedarf dann einer Operation.
Die Therapie der Wahl bei Rotatorenmanschettenrissen ist heute die anatomische Rekonstruktion. Sie kann durch
- eine offene,
- minimiert offene oder
- rein arthroskopische Naht
durchgeführt werden.
Aufgrund der besseren Mobilisierbarkeit und der Gewebeschonung setzt sich immer mehr das rein arthroskopische Verfahren durch.
Die Heilungsaussicht einer Sehnennaht hängt von der Rissgröße ab. Kleine Risse heilen mit hoher Sicherheit aus. Mittlere und große Rotatorenmanschettenrupturen haben mit 70 bis 80 Prozent geringere Heilungsraten.
Für diese gibt es aber heute eine Reihe chirurgischer Möglichkeiten, um die biologische Heilung zu stimulieren.
Nachfolgend sehen Sie den Ablauf eines minimal-invasiv durchgeführten Eingriffs zur Behandlung eines Rotatorenmanschettenrisses:
Bei nicht anatomisch verschließbaren Rissen, sogenannten irreparablen Rupturen, gibt es zahlreiche Behandlungsalternativen. Dazu gehören
- ein arthroskopisches Debridèment mit oder ohne Dekompression,
- die arthroskopische Dekompression (Tuberkuloplastik),
- die Partialrekonstruktion (Äquartorialverschluss),
- die Muskelschwenklappen (Pectoralis-Transfer, Latissimus-Transfer, L´Episcopo),
- die Implantation einer Hemialloarthroplastik oder eines subacromialen Ballons.
Die letzte Option ist eine inverse Schultergelenkprothese.
Die Prognose des behandelten Rotatorenmanschettendefektes ist stark abhängig
- vom Vorschädigungsgrad,
- von der Kranialisation des Humeruskopfes,
- der Sehnenqualität,
- der Funktion des Deltamuskels und
- vom operativen Verfahren.
Nach einer Sehnennaht verbessern sich die Beschwerden aber meistens. Eine Besserung tritt auch auf, wenn nicht alles festheilt.
Die Nachbehandlung einer Rotatorenmanschettenruptur richtet sich nach der Versorgungsart. Nach einer anatomischen Rekonstruktion muss der Arm 2-5 Wochen ruhiggestellt werden. In dieser Zeit kann die Sehne am Knochen anwachsen. Für die Ruhigstellung kann schon eine einfache Schlinge genügen. Während dieser Zeit sind passive Bewegungsübungen unter physiotherapeutischer Anleitung gestattet.
Ab der 7. Woche nach der Operation sind aktive Bewegungsübungen und Bewegungsübungen im Wasserbecken möglich. Zusätzlich sind umfangreiche Oberarmkopfzentrierungsübungen erforderlich. Die gesamte Rehabilitationszeit beträgt etwa 12 bis 16 Wochen.
Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach einer Rotatorenmanschettenruptur hängt stark von der beruflichen Belastung und Aktivität ab. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten sind ab der 5. bis 7. Woche nach der Operation möglich. Überkopftätigkeiten sind nicht vor der 13. postoperativen Woche gestattet. Die Rehabilitationsphase ist insgesamt verlängert.
Sportliche Überkopfaktivitäten sollten frühestens 6 Monaten nach der operativen Maßnahme aufgenommen werden.