Aufgrund der hohen Belastung der Rotatorenmanschette in Sport, Alltag und Beruf sind Probleme sehr häufig und kommen in verschiedenen Formen vor. Typischerweise betreffen Verletzungen die Sehne, sprich den Teil der die Kraft des bewegenden Muskelbauch auf den statischen Knochen weiterleitet. Diese Probleme reichen von Verquellung und Zerquetschung der Sehnen über kleine Einrisse an der Oberfläche bis hin zum kompletten Abriss mehrerer Muskelsehnen.

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Über die Häufigkeit von Rotatorenmanschettenrupturen und deren Altersverteilung liegen widersprüchliche Literaturangaben vor. MILGROM (1995) fand bei Patienten unter 50 Jahren in 5 Prozent Risse. In der 5. Altersdekade waren es 11 Prozent, über dem 70. Lebensjahr hatte jeder 2. Patient eine Rotatorenmanschettenruptur und über dem 80. Lebensjahr waren bei 80 Prozent der Patienten Risse nachweisbar. Viele dieser Risse sind aber ohne Symptome. In der Literatur unstrittig ist das äußerst seltene Vorkommen eines kompletten Rotatorenmanschettenrisses vor dem 40. Lebensjahr (HAWKINS et al. 1999).
Rotatorenmanschettenrupturen (ICD-Code: S46/ M75.1) entstehen einerseits durch Unfälle, wie zum Beispiel nach einem Sturzereignis auf den nach hinten ausgestreckten Arm. Rotatorenmanschettenrupturen auf der Grundlage einer degenerativen Vorschädigung sind andererseits aber häufiger. Es gibt auch Mischformen, bei denen Patienten mit degenerativer Vorschäden einen Bagatellunfall erleben, der den vorliegenden Defekt vergrößert und Symptome auslöst (HABERMEYER et al. 2000). Isolierte Läsionen der Subskapularissehne hingegen werden in 70 Prozent der Fälle durch Unfälle ausgelöst (WALCH 1993). Die Schultergelenkluxation bei einem Patienten über 40 Jahre führt in 40 bis 70 Prozent der Fälle zu einer Rotatorenmanschettenruptur (McLAUGHLIN 1994).
Obwohl die Symptome einer Rotatorenmanschettenruptur recht eindeutig sind, ist die Schmerzstärke sehr unterschiedlich. Effektiv ist es sogar so, dass ein großer Teil der Sehnenrisse asymptomatisch sind und keine Beschwerden verursachen, besonders wenn es kleinere degenerative Risse sind. Bei diese langsam entstehenden Rissen hatte die Schulter genug Zeit sich dem Problem anzupassen. Akute Massenrupturen haben hingegen sehr deutliche Beschwerden.
Die häufigsten Schulterbeschwerden bei Rotatorenmanschettenläsion sind Schmerzen, speziell bei Tätigkeiten über Kopf, wobei das natürlich sehr unspezifisch ist. Die wichtigsten Beschwerden für einen Sehnenriss sind jedoch Nachtschmerz und eine eingeschränkte Kraft. Ein Patient der wegen Schulterschmerzen nachts aufwacht und einen Kraftverlust hat hat eine 70 prozentige Wahrscheinlichkeit einer Rotatorenmanschettenruptur. Bei einem Alter über 65 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit 90 Prozent.

Die Diagnose einer Rotatorenmanschettenruptur setzt sich aus einer gezielten Befragung (Anamnese), der klinischen Untersuchung und der bildgebenden Untersuchung zusammen.
Die klinische Untersuchung umfasst die Prüfung des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes in allen Freiheitsgraden und die isometrische Kraftprüfung. Zusätzlich gibt es spezielle Funktionstests mit denen die einzelnen Muskeln der Rotatorenmanschette isoliert getestet werden können. Die Aussagekraft aller Rotatorenmanschettenfunktionstests kann aber durch Schmerzen während der Untersuchung deutlich beeinträchtigt werden.
Als Basisdiagnostik für krankhafte Veränderungen der Rotatorenmanschette haben sich Röntgenaufnahmen in drei Ebenen bewährt. Hierzu sind die Aufnahme mit korrekter Einstellung des Gelenkspaltes, die Axialaufnahme und die Y-Aufnahme geeignet. Aus diesen Aufnahmen sind die wesentlichen Informationen für eine Einschätzung der Veränderungen des knöchernen Gelenkes möglich.
Die Ultraschalluntersuchung ermöglicht den schnellen, dynamischen und kostengünstigen Rotatorenmanschettenbefund. Einfache Degenerationen (Verschleißerscheinungen) bis hin zur kompletten Rotatorenmanschettenruptur lassen sich mit einer Genauigkeit zwischen 94 bis 98 Prozent (WIENER und SEITZ 1993) und einer Sensitivität von 96 Prozent für komplette Risse sowie 90 Prozent für partielle Risse (HEDTMANN und FETT 1995) diagnostizieren. Gleichzeitig ist es möglich, die lange Bizepssehne hinsichtlich der Stabilität und der Begleitentzündung zu beurteilen.
In den letzten Jahren hat sich die Magnetresonanztomografie (MRT) als äußerst genaues und sensitives Verfahren in der Schulterdiagnostik etabliert. Die Genauigkeit wird noch durch die gelenkseitige Gabe von Kontrastmitteln in der so genannten Kontrastmittel-MR-Arthrografie erhöht.
Die Computertomografie (CT) hat in der Diagnostik von Weichteilveränderungen des Schultergelenkes keine bedeutende Rolle mehr und wurde durch die MRT weitestgehend verdrängt. Lediglich zur Beurteilung von fettigen Degenerationen des Muskels wird sie vereinzelt noch eingesetzt (GOUTALLIER et al. 1994).
Die therapeutischen Optionen richten sich nach einer Vielzahl von Einflussfaktoren, die im Detail analysiert und von der Befundkonstellation abgewogen werden müssen. Ein standardisiertes therapeutisches Vorgehen gibt es nicht.
Kriterien zur Therapieentscheidung sind:
- Alter des Patienten,
- Rissursache,
- Aktivitätsgrad des Patienten,
- Rissform,
- Rissgröße,
- Sehnenqualität und
- Muskelqualität.
Aus diesen Kriterien ergeben sich zahlreiche Therapiemöglichkeiten, welche im Einzelnen einen unterschiedlichen therapeutischen Erfolg besitzen.
In vielen Fällen, speziell bei langsam aufgetreten, degenerativen Rotatorenmanschettendefekten ist eine konservative, nichtoperative Therapie eine gute Wahl und kann gute Ergebnisse bringen. Dies kann durch biologische Methoden wie ACP unterstützt werden.
Die Verbesserungen durch die Therapie sollten sich aber binnen 3 Monaten einstellen, sonst sinken die Chancen auf eine erfolgreiche konservative Therapie dramatisch und eine Operation wird nötig. Der Erfolg der konservativen Therapie hält zumeist auch nicht für immer, denn die Risse der Rotatorenmanschette haben die Tendenz größer zu werden. Die Hälfte der Patienten entwickelt über 3-5 Jahre neue Symptome und bedarf dann einer Operation.
Die Therapie der Wahl bei Rotatorenmanschettenrissen ist heute die anatomische Rekonstruktion. Sie kann durch eine offene, minimiert offene oder rein arthroskopische Naht durchgeführt werden. Aufgrund der besseren Mobilisierbarkeit und der Gewebeschonung setzt sich immer mehr das rein arthroskopische Verfahren durch. Die Heilungsaussicht einer Sehnennaht hängt von der Rissgröße ab. Während kleine Risse mit hoher Sicherheit ausheilen, heilen mittlere und große Rotatorenmanschettenrupturen nur in 70 bis 80 Prozent aus. Für diese gibt es aber heute eine Reihe chirurgischer Möglichkeiten um die biologische Heilung zu stimulieren.
Im nachfolgenden Video sehen Sie den Ablauf eines minimal-invasiv durchgeführten Eingriffs zur Behandlung eines Rotatorenmanschettenrisses:
Bei nicht anatomisch verschließbaren Rissen, sogenannten irreparablen Rupturen, gibt es zahlreiche Behandlungsalternativen, wie ein arthroskopisches Debridèment mit oder ohne Dekompression, die arthroskopische Dekompression (Tuberkuloplastik), die Partialrekonstruktion (Äquartorialverschluss), die Muskelschwenklappen (Pectoralis-Transfer, Latissimus-Transfer, L´Episcopo), die Implantation einer Hemialloarthroplastik oder eines subacromialen Ballons. Die letzte Option ist eine inverse Schultergelenkprothese.
Die Prognose des behandelten Rotatorenmanschettendefektes ist stark abhängig vom Vorschädigungsgrad, von der Kranialisation des Humeruskopfes, der Sehnenqualität, der Funktion des Deltamuskels und vom operativen Verfahren. In Summe sieht man aber eine relevante Verbesserung nach einer Sehnennaht, und interessanterweise das sogar auch dann, wenn nicht alles festheilt!
Die Nachbehandlung einer Rotatorenmanschettenruptur richtet sich nach der Versorgungsart. Nach einer anatomischen Rekonstruktion ist die Ruhigstellung der oberen Extremität von zwischen 2 und 6 Wochen erforderlich, um das Anwachsen der Sehne am Knochen zu ermöglichen. Während dafür früher ausschließlich Abspreizkissen benutzt wurden gibt es heute Daten die zeigen, dass eine einfache Schlinge auch reichen kann. Während dieser Zeit sind passive Bewegungsübungen unter physiotherapeutischer Anleitung gestattet.
Ab der 7. Woche nach der Operation sind aktive Bewegungsübungen und Bewegungsübungen im Wasserbecken möglich. Zusätzlich sind umfangreiche Oberarmkopfzentrierungsübungen erforderlich. Die gesamte Rehabilitationszeit beträgt etwa 12 bis 16 Wochen.
Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach einer Rotatorenmanschettenruptur hängt stark von der beruflichen Belastung und Aktivität ab. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten sind ab der 5. bis 7. Woche nach der Operation möglich. Überkopftätigkeiten sind nicht vor der 13. postoperativen Woche gestattet. Die Rehabilitationsphase ist insgesamt verlängert.
Sportliche Überkopfaktivitäten sollten frühestens 6 Monaten nach der operativen Maßnahme aufgenommen werden.