Bei einer Risikoschwangerschaft liegen
- aufgrund der Krankengeschichte der werdenden Mutter (sogenannte anamnestische Risiken) oder
- durch einen Untersuchungsbefund während der aktuellen Schwangerschaft (schwangerschaftsverbindende Risiken)
bestimmte Situationen vor, die das Komplikationsrisiko im Vergleich zu einer „normalen Schwangerschaft“ erhöhen. Die befürchteten Komplikationen können die Schwangerschaft selbst oder die Geburt betreffen.
Schwangerschaften, die als Risikoschwangerschaft eingestuft werden, bedürfen daher einer stärkeren Betreuung. Die werdende Mutter profitiert dann von einer engmaschigeren und intensiveren medizinischen Versorgung und Überwachung während der Schwangerschaft und Geburt.
Eine Risikoschwangerschaft bedeutet nicht, dass für Mutter und/oder Kind eine akute Gefahr besteht. Bei etwa 75 Prozent der Schwangerschaften liegen Schwangerschaftsrisiken nach der Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vor. Sie werden im Mutterpass erfasst.
Aber nur 40 bis 50 Prozent der Schwangerschaften werden als Risikoschwangerschaft eingestuft. Gleichzeitig kommen etwa 97 Prozent der Kinder gesund zur Welt.
In bestimmten Situationen können Risikoschwangerschaften mit einer Risikogeburt einhergehen. Dies gilt z.B. bei folgenden Befunden:
- Frühgeburt,
- Placenta praevia (Risiko einer Blutung oder vorzeitigen Plazentaablösung),
- Sämtliche Diskrepanzen zwischen Kindsgröße oder -lage und Geburtswegen.
Durch die ärztliche Schwangerenvorsorge sollen Mediziner Risikoschwangerschaften und Risikogeburten möglichst frühzeitig erkennen können.
Dazu dient zunächst ein Gespräch, die sogenannte Anamnese. Der Arzt erkundigt sich nach
- zurückliegenden und aktuellen Krankheiten und Beschwerden,
- Schwangerschaften und Geburten sowie
- Medikamenteneinnahmen.
Danach folgen verschiedene Untersuchungen. Der Arzt kann anhand seiner Erkenntnisse beurteilen, ob ein erhöhtes Gesundheitsrisiko während der Schwangerschaft oder der Geburt bestehen kann. Der Arzt gibt dazu eine Risikoeinschätzung ab. Damit können gezielt die therapeutischen und insbesondere präventiven Maßnahmen zur individuellen Schwangerenvorsorge geplant werden.
In Deutschland existieren dazu die Mutterschafts-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Darin ist die ärztliche Betreuung der gesetzlich Versicherten während der Schwangerschaft und nach der Entbindung geregelt. Dazu gehören insbesondere der Umfang und Zeitpunkt
- der Vorsorgeleistungen,
- der diagnostischen Leistungen und
- der therapeutischen Leistungen.
In diesen Richtlinien ist auch festgelegt, welche Kriterien dazu führen, eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft einzustufen.
Die Einstufung als Risikoschwangerschaft erfolgt nach der Anamnese und einer Untersuchung © Blue Planet Studio | AdobeStock
In die Bewertung etwaiger anamnestischer Risiken gehen Faktoren wie
- Lebensalter,
- aktuelle und zurückliegende Erkrankungen,
- vorgenommene chirurgische Eingriffe sowie
- Komplikationen beziehungsweise bestimmte Umstände bei vorangegangenen Schwangerschaften und Geburten
ein.
Chronische Erkrankungen
Zu den Erkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für Mutter und/oder Kind bedeuten können, gehören zum Beispiel:
Eine chronische Erkrankung ist in den meisten Fällen heute kein Hindernis für eine Schwangerschaft. In früheren Zeiten sollten Frauen mit Diabetes, Epilepsie oder Multipler Sklerose eine Schwangerschaft vermeiden. Diese Erkrankungen sind heute kein Grund mehr, auf eine Schwangerschaft zu verzichten.
Dennoch müssen Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind bekannt sein, um eine optimale Betreuung während der Schwangerschaft zu gewährleisten. Für eine sichere Schwangerschaft sorgen dann
- eine angepasste Medikamenteneinnahme,
- zusätzliche Vorsorgetermine oder
- ergänzende Untersuchungsmethoden.
Alter der Mutter
Schwangere, die
- erst über 35 Jahren oder unter 18 Jahren ihr erstes Kind bekommen, oder
- die über 40 Jahre alt sind und erneut schwanger werden,
werden als Risikoschwangerschaft eingestuft.
Ab 30 Jahren sinkt die Fruchtbarkeit einer Frau merklich ab. Gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomenanomalie beim Kind ab einem Alter von 35 deutlich zu. Die meisten Feten mit Chromosomenanomalien sind jedoch so schwerwiegend, dass sie bereits im Mutterleib absterben. Beispielsweise ist nur etwa jedes zweite Kind mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) lebensfähig.
So beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit Down-Syndrom lebend geboren wird,
- mit 25 Jahren 1:1300 (0,08%),
- mit 35 Jahren 1:365 (0,27%) und
- mit 45 Jahren 1:30 (3,3%).
Darüber haben ältere Schwangere ein höheres Risiko für eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung der Mutter. Dazu gehören beispielsweise Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck.
Alter des Vaters
Das Alter des Vaters spielt
- bei der Entstehung von bestimmten Krankheiten des Kindes, sowie
- für manche Schwangerschaftsrisiken
eine Rolle. Laut einer Studie der Universität Zürich scheinen beispielsweise sehr junge Väter zu einem erhöhten Risiko für ein Down-Syndrom beizutragen.
Das Frühgeburtsrisiko soll nach einer Untersuchung der dänischen Universität Aarhus bei über 50-jährigen Vätern deutlich erhöht sein.
Geburtshilfliche und gynäkologische Risikofaktoren
Grundsätzlich haben Vielgebärende mit mehr als vier Kindern ein erhöhtes Schwangerschaftsrisiko. Sie haben ein erhöhten Risikos für genetische Defekte und eine Plazentainsuffizienz. Durch eine Plazentainsuffizienz kann das ungeborene Kind nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.
Aufgrund möglicher geburtsmechanischer Risiken infolge einer Überbeanspruchung des mütterlichen Organismus ergibt sich daraus ein erhöhtes Risiko für Komplikationen unter der Geburt.
Wenn es bereits bei vorangegangenen Schwangerschaften zu Komplikationen gekommen ist, gilt auch die aktuelle Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft.
Im Einzelnen betrifft dies folgende Umstände:
- Mehrfache Fehl- oder Frühgeburten
- Totgeborene oder schwer beeinträchtigte Kinder im Vorfeld
- Entbindung von Kindern mit einem Gewicht über 4000 Gramm (sogenannte Makrosomie) oder einer Unterentwicklung (sogenannte Hypotrophie oder Wachstumsretardierung) im Vorfeld
- Mehrlingsschwangerschaften oder -geburten im Vorfeld
- Komplikationen im Rahmen vorheriger Entbindungen:
- atypische Plazentalokalisation (Placenta praevia),
- vorzeitige Plazentaablösung (Abruptio placentae),
- Nachgeburtsblutungen (postpartale Blutungen),
- Gerinnungsstörungen,
- Krämpfe oder
- durch ein Blutgerinnsel verursachter Gefäßverschluss (Thromboembolie).
Zu den gynäkologischen Risikofaktoren zählen:
- die Durchführung einer Sterilitätsbehandlung,
- chirurgische Eingriffe an der Gebärmutter, unter anderem
- Kaiserschnitt,
- Entfernung eines Myoms beziehungsweise gutartigen Tumors der Gebärmuttermuskulatur oder aufgrund einer Fehlbildung der Gebärmutter.
Bestimmte gesundheitliche Probleme können sich erst im Laufe der Schwangerschaft entwickeln oder zeigen. Sobald das Risiko durch eine Untersuchung festgestellt wurde, gilt die Schwangerschaft dann als Risikoschwangerschaft.
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen
Schwangerschafts-Hochdruck ist entscheidend verantwortlich für
- Erkrankungen und Komplikationen sowie
- Sterblichkeit von Mutter und Kind
während einer Schwangerschaft. Schwangere mit erhöhtem Blutdruck zählen daher zu den Risikoschwangerschaften. Zu den hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen gehören unter anderem:
- Gestationshypertonie: erhöhter Blutdruck der Mutter nach der 20. Schwangerschaftswoche,
- Präeklampsie: erhöhter Blutdruck und zusätzlich Eiweiß im Urin,
- Eklampsie: im Rahmen einer Präeklampsie auftretende Krampfanfälle,
- HELLP-Syndrom: Auflösung der roten Blutkörperchen, erhöhte Leberenzyme, erniedrigte Zahl an Blutplättchen.
Blutgruppeninkompatibilität
Bei manchen Schwangerschaften haben Mutter und Kind unterschiedliche Blutgruppen und Rhesusfaktoren. Die Mutter kann dann, meist kurz vor der Geburt, Antikörper gegen die roten Blutkörperchen ausbilden.
Diese führen bei einer weiteren Schwangerschaft zu einer Reaktion des mütterlichen Immunsystems auf das Baby, das dadurch geschädigt werden kann.
Gynäkologische Faktoren
Auch in folgenden Situationen geht man von einem erhöhten Risiko für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft aus:
- Mehrlingsschwangerschaften und anormale Lage des Kindes in der Gebärmutter, z.B. Querlage,
- Blutungen aus der Gebärmutter (uterine Blutungen),
- drohende Frühgeburt bei frühzeitigen Wehen oder Muttermundschwäche (Zervixinsuffizienz) und
- Überschreitung oder Unklarheit bezüglich des Geburtstermins.
Weitere Risikofaktoren
- Anämie: Blutarmut, verminderter Hämoglobin-Wert (Hb-Wert),
- Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes).
Aufgrund des erhöhten Risikos für die werdende Mutter und das ungeborene Kind bedürfen Risikoschwangerschaften einer intensiveren Vorsorge. Daher finden bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft engmaschigere Untersuchungen statt:
- bis zur 32. Schwangerschaftswoche häufiger als im Vierwochenabstand und
- in den letzten 8 Schwangerschaftswochen häufiger als im Zweiwochenturnus.
In besonders kritischen Fällen kann die Schwangere in den letzten Wochen auch zur stationären Überwachung überwiesen werden. Sie findet oft in einem entsprechenden Krankenhaus mit perinatologischer Betreuung statt. Solche Häuser sind auf die gesundheitliche Versorgung von Schwangeren und Feten kurz vor und nach der Geburt spezialisiert.
Hierbei entscheidet die werdende Mutter, welche Untersuchungen oder Maßnahmen sie letztendlich durchführen lässt. Deshalb ist ein vertrauensvolles Verhältnis zum Arzt in der Schwangerschaft besonders wichtig.
Bei Risikoschwangerschaften können abhängig von Befund und Anamnese zusätzliche Untersuchungen erforderlich sein. Dazu gehören die folgenden Untersuchungen.
Standard-Sonographie
Eine Standard-Ultraschalluntersuchung wird in folgenden Situationen empfohlen:
- Bei wiederholten Blutungen der Gebärmutter,
- bei gestörter Frühschwangerschaft,
- bei Frühschwangerschaft mit liegendem Intrauterinpessar (Spirale),
- bei Gebärmuttervergrößerung durch mehrere Myome (Uterus myomatosus) und Zysten oder solide Geschwulste der Eileiter oder Eierstöcke (Adnextumor),
- zur Muttermundmessung bei Verdacht auf Muttermundschwäche,
- bei vorzeitigem Blasensprung und/oder Wehentätigkeit,
- zur Verlaufskontrolle bei bestehender fetaler Anomalie oder Erkrankung,
- bei Verdacht auf vorzeitige Plazentaablösung sowie
- zur Kontrolle bei gestörtem Geburtsverlauf.
Erweiterte Ultraschalluntersuchung
Mithilfe eines hochauflösenden Ultraschallgeräts lassen sich die Organe noch genauer ansehen. Diese Untersuchung wird daher Feindiagnostik-Sonographie genannt. Sie kann in folgenden Situationen zum Einsatz kommen:
- Zur Kontrolle des fetalen Wachstums bei Verdacht auf Entwicklungsstörungen des Kindes,
- zur Überwachung einer Mehrlingsschwangerschaft,
- zur Kontrolle des Plazentasitzes bei nachgewiesener Placenta praevia (Lage des Mutterkuchens vor dem inneren Muttermund),
- zur Kontrolle bei erstmaligen Blutungen innerhalb der Gebärmutter sowie
- bei Verdacht auf Lageanomalien ab der 36. Schwangerschaftswoche.
Dopplersonographie
Eine Untersuchung der Gefäße und des Blutflusses mittels eines speziellen Ultraschallgeräts erfolgt beispielsweise in folgenden Situationen:
- Bei Verdacht auf fetale Wachstumsstörungen, Erkrankungen oder Fehlbildungen,
- bei hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen,
- zur Kontrolle des Zustands nach Fruchttod oder nach Präeklampsie/Eklampsie,
- bei Auffälligkeiten der fetalen Herzfrequenz,
- bei unterschiedlichem Wachstum bei Mehrlingen,
- bei Verdacht auf Herzfehler/Herzerkrankungen.
Kardiotokographische Untersuchungen (Herzton-Wehen-Schreiber)
Die Kardiotokographie (CTG) ist die gleichzeitige Aufzeichnung der kindlichen Herztöne sowie der Wehentätigkeit. Sie dient der Früherkennung kindlicher Probleme.
Gemäß Mutterschafts-Richtlinien sollte eine CTG
- vor der 28. Schwangerschaftswoche bei bestehendem Verdacht auf eine vorzeitige Wehentätigkeit und bei Wehenhemmung durch Medikamente oder
- ab der 28. Schwangerschaftswoche bei festgestellten Herztonveränderungen
durchgeführt werden.
Weitere Untersuchungen
Im Rahmen einer Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) wird über eine Kanüle Fruchtwasser entnommen. Der Arzt schiebt sie durch die Haut bis in Fruchtblase vor.
Das Fruchtwasser wird dann beispielsweise auf
- manche Chromosomenanomalien,
- Erbkrankheiten und einige weitere Erkrankungen,
- Infektionen,
- Blutgruppenunverträglichkeit und
- Lungenreife bei drohender Frühgeburt
untersucht. Eine Amniozentese sollte idealerweise zwischen der 14. und 19. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.
Dagegen ist die Chorionzottenbiopsie (Mutterkuchenpunktion) bereits in der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche möglich. Auch bei der Chorionzottenbiopsie wird eine Kanüle über die Bauchdecke eingeführt. Der Arzt durchsticht allerdings nicht die Fruchtblase. Er entnimmt lediglich eine Gewebeprobe von den Chorionzotten .
Auch mit dieser Untersuchungsmethode lassen sich Chromosomenanomalien und manche Erbkrankheiten abklären.