Als Kompartmentsyndrom (ICD T79.6) bezeichnet man eine Gewebedruckerhöhung in einem abgeschlossenen Raum (Kompartment). Ein Kompartment ist eine Gruppe von Muskeln, die außen von einer sehnenartigen Muskelhaut (Faszie) umgrenzt werden. Die Faszien, die die Muskeln in den Logen umschließen, sind nur minimal dehnbar.
Diese Kompartimente heißen in der medizinischen Fachsprache auch Logen. Daher ist das Kompartmentsyndrom auch unter der Bezeichnung Logensyndrom bekannt.

Muskulatur des Menschen © adimas / Fotolia
Durch eine Verletzung oder einen zu straff angelegten Verband kann das Gewebe anschwellen. Das ist beispielsweise bei einem Bluterguss (Hämatom) der Fall. Die muskelumgebende Faszie oder der zu enge Verband verhindern, dass sich das Gewebe mit der Schwellung ausdehnen kann. Deswegen kommt es zu einem erhöhten Druck innerhalb des Kompartments.
Der hohe Druck beeinträchtigt die Blutzirkulation in den kleinen Blutgefäßen. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung der betroffenen Muskeln. Das verletzte Gewebe und der Muskel können bei andauernder Unterversorgung absterben.
Auch Nerven können von der Druckerhöhung betroffen sein. Die Nervenkompression löst Missempfindungen und Schmerzen aus.
Auf jeden Fall bewirkt ein unbehandeltes Kompartmentsyndrom eine Gewebeschädigung beziehungsweise dauerhafte Muskelschäden.
Besonders häufig betrifft das Logensyndrom die Logen
- am Unterschenkel,
- am Unterarm und
- am Fuß.
Grundsätzlich kann das Kompartmentsyndrom überall dort auftreten, wo Gewebe von einer straffen Bindegewebsschicht umhüllt ist.

Das Kompartmentsyndrom mit Bluterguss und Nervenkompression © Henrie / Fotolia
Grundsätzlich lässt sich das Kompartmentsyndrom je nach Ursache in eine akute und eine chronische Form unterscheiden:
Beim akuten Kompartmentsyndrom kommt es nach einer traumatischen Verletzung plötzlich zu einem hohen Gewebedruck im betroffenen Kompartment. Dieses Trauma kann durch
- Quetschungen,
- Stürze,
- starke Prellungen und
- Knochenbrüche
ausgelöst werden. Auch
- zu eng angelegte Verbände,
- Einschnürungen anderer Art sowie
- OP-Komplikationen
können ein akutes Kompartmentsyndrom auslösen.
Der erhöhte Druck im Kompartment verhindert die Blutversorgung des Muskels und Nervenfunktion. Durch den Druck können Flüssigkeitsansammlungen nicht abfließen. Es drohen dauerhafte Schäden der Muskeln und Nerven.
Das akute Kompartmentsyndrom ist immer ein medizinischer Notfall!

Das akute Kompartmentsyndrom ist ein medizinischer Notfall © Thaut Images / Fotolia
Das chronische oder auch funktionelle Kompartmentsyndrom entsteht durch eine langfristige Überbeanspruchung.
Ein Risikofaktor ist exzessives Muskeltraining. Aufgrund einer starken Vergrößerung der Muskulatur entwickelt sich hier ein erhöhter Druck innerhalb der Muskelfaszie. Bei starker Anstrengung können die Muskeln anschwellen, sodass auch hier die zu- und abführenden Blutgefäße zugedrückt werden.
Besonders häufig zeigt sich dieses belastungsinduzierte Kompartmentsyndrom auch bei Mittelstreckenläufern und Wettkampfgehern.
Das akute Kompartmentsyndrom äußert sich durch
- ausgeprägte Schmerzen und
- ein unangenehmes Spannungsgefühl
im Bereich der betroffenen Muskelpartie. Die teils unerträglichen Schmerzen lassen sich auch durch die Gabe von Schmerzmitteln nicht lindern. Ebenso bessert das Hochlegen des Beins die Schmerzsymptomatik nicht.
Darüber hinaus tritt in der Region oft
- eine deutliche Schwellung und
- eine Verhärtung der Muskulatur
ein. Bedingt durch die Mangeldurchblutung und die Schädigung der Nerven in den Logen treten bald sensible und motorische Ausfälle auf, zum Beispiel:
Patienten mit einem chronischen Kompartmentsyndrom spüren typischerweise
- ein Druckgefühl im betroffenen Bereich und
- einen stechenden Schmerz, der während oder unmittelbar nach der körperlichen Aktivität auftritt.
Auch
- eine vorübergehende Kraftlosigkeit in den Beinen oder Armen sowie
- zeitweises Kribbeln der Haut
können auf ein funktionelles Kompartmentsyndrom hinweisen. In der Regel führen Gehpausen oder das Aussetzen des Trainings schnell zu einer Linderung der Beschwerden.
Bei Verdacht auf ein akutes Kompartmentsyndrom führt der Arzt eine Funktionsprüfung durch. Er überprüft die Motorik der betroffenen Region und beurteilt das Empfindungsvermögen. Ebenso tastet er die Pulse unterhalb der schmerzenden Areale ab. Bei einem fortgeschrittenen Kompartmentsyndrom sind diese nur sehr schwach oder gar nicht zu tasten.
Zur weiteren Diagnosefindung kann der Arzt zudem den Druck im Gewebe messen. Für diese intrakompartmentelle Druckmessung bringt er von außen eine Sonde in das Kompartment ein. Diese ist mit einem Druckabnehmer verbunden, an dem der Arzt den Druck ablesen kann.
Es gibt jedoch keine absoluten Grenzwerte für den Gewebedruck. Daher hängt die Einschätzung dieser Werte immer auch von den vorliegenden Beschwerden ab. Die Druckmessung ist also lediglich ein Hilfsmittel, um den Verlauf der Erkrankung zu beurteilen und sie von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen.
Das akute Kompartmentsyndrom ist ein Notfall, der einer sofortigen chirurgischen Behandlung bedarf.
Durch eine sogenannte Fasziotomie entlastet der Chirurg das betroffene Gebiet über eine Aufspaltung der Faszien, die die Muskeln umschließen.
Um eine erneute Erhöhung des Gewebedrucks zu verhindern, wird die Operationswunde nicht direkt wieder verschlossen. Sie bleibt stattdessen mit einem Gewebsschutz versehen offen.
Der Chirurg wartet ab, bis die Schwellung komplett zurückgegangen ist und keine weitere Druckerhöhung zu erwarten ist. Dann erst verschließt er die Wunde mit einer einfachen Naht oder einer Spalthaut. Das ist ein spezielles Hauttransplantat zur Behandlung von Verletzungen.
Beim chronischen Kompartmentsyndrom helfen im Akutfall Entlastung und Kühlung. Nach 48 Stunden können Sie die schmerzende Muskulatur massieren und wärmen. Auch Heparinsalben dürfen Sie nach Ablauf dieser zweitägigen Frist einsetzen.
Auf lange Sicht lässt sich das chronische Kompartmentsyndrom zu einem gewissen Teil konservativ mittels
- Modifikationen im Training und/oder
- bei der Schuhwahl
behandeln.
Auch der Einsatz von Arzneimitteln aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika kann den Betroffenen kurzfristig Linderung verschaffen. Dazu gehört beispielsweise Ibuprofen.
Leistungssportler, die ihr Trainingsniveau aufrechterhalten möchten oder müssen, können eine operative Spaltung der Muskelfaszien durchführen lassen.
Die Dauer und der Verlauf der Erkrankung hängen vor allem von einer raschen Behandlung ab. Der Arzt muss den Druck im Kompartment schnell mindern. So kann er im Optimalfall der Sauerstoffunterversorgung der Muskulatur (Muskelischämie) frühzeitig entgegenwirken. Gelingt das, erholt sich diese in der Regel vollständig.
Bleibt das Kompartmentsyndrom allerdings unbehandelt, stirbt das Muskelgewebe aufgrund der mangelnden Versorgung mit Sauerstoff ab. Dadurch kann es zu
- ausgeprägten Funktionseinschränkungen der Muskeln,
- Gelenkversteifungen oder
- krankhaften Beugestellungen der Hände und Finger
kommen.
Wenn die Nerven Schaden genommen haben, leiden die Patienten zudem unter dauerhaften Lähmungserscheinungen.