Neuroendokrinologie | Spezialisten und Informationen

Die Neuroendokrinologie ist eine interdisziplinäre Disziplin der Bereiche Endokrinologie (Hormone und Stoffwechsel) sowie Neurologie (Nerven). Sie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Hormon- und Nervensystem.

Als wichtige Botenstoffe nutzt der menschliche Körper Hormone zur Kommunikation zwischen zentralem Nervensystem und anderen Bereichen des Körpers. Auch innerhalb des Gehirns spielen sie eine große Rolle. Gerät das empfindliche System aus dem Gleichgewicht, sind die Folgen weitreichend. Unspezifische Symptome benötigen eine Untersuchung von einem erfahrenen Neuroendokrinologen. Er misst den Hormonspiegel und berücksichtigt die Zusammenhänge zwischen Hormonen und Nervensystemen.

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Neuroendokrinologie - Weitere Informationen

Das Zusammenspiel von Hormonen und Nervensystem

Die beiden wichtigsten Strukturen in der Neuroendokrinologie sind der Hypothalamus und die Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Beide liegen im Gehirn und steuern von dort aus überlebenswichtige Funktionen.

Hypothalamus und Hypophyse

Der Hypothalamus ist zuständig für:

  • Hunger
  • Durst
  • Tag-Nacht-Rhythmus
  • Körpertemperatur und
  • Blutdruck

All diese Belange werden durch die vermehrte oder verminderte Ausschüttung entsprechend steuernder Hormone reguliert.

Die Hormone, die der Hypothalamus bildet, verteilen sich nicht wie die anderen Hormone über den Blutkreislauf im ganzen Körper. Stattdessen wirken die Hypothalamushormone auf die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), indem sie die Ausschüttung von Hormonen durch die Hypophyse regeln.

Diese Hypophysenhormone steuern die verschiedensten Körperfunktionen: Von der Schilddrüse über die Nebennieren bis hin zur Milchproduktion in der weiblichen Brust.

 

 

Funktionsbereiche von Hypothalamus und Hypophyse

Funktionsbereiche von Hypothalamus und Hypophyse @ ellepigrafica /AdobeStock

Tätigkeitsbereiche von Neuroendokrinologen

Neuroendokrinologen sind Fachärzte, die sich auf Krankheiten spezialisiert haben, die ihren Ursprung in einer Fehlfunktion des neuroendokrinen Systems haben. 

Ursache dafür können beispielsweise Gehirntumoren oder Gehirnverletzungen sein. 

Zu den neuroendokrinen Schwerpunkten zählen zum Beispiel:

  • Tumoren: Wie Hypophysenadenom (gutartiger Tumor der Hypophyse), Multiple endokrine Neoplasie Typ I (gemeinsames Auftreten von gutartigen Hypophysentumoren und gutartigem Nebenschilddrüsentumor)
  • Gestörte Hormonbildung (Hormoninsuffizienz) nach Schädel-Hirn-Trauma
  • Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenerkrankungen: Wie Hyperthyreose (Überproduktion von Schilddrüsenhormon), Hypothyreose (Minderversorgung mit Schilddrüsenhormon), Hypoparathyreoidismus (verminderte Kalziumwerte aufgrund einer reduzierten Parathormonbildung aus den Nebenschilddrüsen)
  • Nebennierenerkrankungen: Wie Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom; erhöhte Kortisolproduktion), Hypokortisolismus (Morbus Addison; Nebennierenrindenunterfunktion), Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom; Überproduktion von Aldosteron in der Nebennierenrinde)
  • Stoffwechselstörungen: Wie Hyperkalzämiesyndrom (erhöhte Kalziumwerte meist aufgrund von vermehrter Kalziumfreisetzung aus dem Knochen) und Osteoporose, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Adipositas (Fettleibigkeit)
  • Störungen der Sexualhormonbildung: Wie PCO-Syndrom
  • Hormonelle Probleme bei psychiatrischen Erkrankungen
  • Geschlechtsentwicklungsstörungen und Transsexualität

PCO-Syndrom

Das PCO-Syndrom kann bei Frauen zu Zyklusstörungen, Haarausfall und Unfruchtbarkeit führen @ freshidea /AdobeStock

Diagnostik in der Neuroendokrinologie

Der Arzt beginnt mit einer umfangreichen Anamnese. 

Diese umfasst eine Befragung nach:

  • Beschwerden
  • Lebensweise 
  • Medikamenteneinnahme und 
  • Krankengeschichte bzw. die der direkten Verwandten

Daran schließt sich eine körperliche Untersuchung an. Beide geben dem Arzt bereits erste Hinweise darauf, ob eine hormonelle Störung Ursache für die Beschwerden des Patienten sind.

In der Regel folgen nun Labortests, die deb Spiegel verschiedener Hormone im Blut bestimmen (Erstellung eines Hormonspiegels, Hormondiagnostik). 

Die endokrinologische Labordiagnostik gibt meist schon ein recht genaues Bild darüber, ob:

  • Die Störung im oder außerhalb des Gehirns liegt und 
  • Welche Störung vorliegen könnte

Hormondiagnostik aus Blutabnahme Hormone können Ärzte sowohl im Blut als auch im Speichel messen @ angellodeco/AdobeStock 

Im Rahmen von endokrinologische Funktionstests kann der Arzt die Fehlufnktion weiter untersuchen und eingrenzen.

Zu den Funktionstests gehören:

  • Belastungstests (oraler Glukosetoleranztest)
  • Stimulationstests und 
  • Hemmtests

Dabei verabreicht er dem Patienten bestimmte Hormone oder Substanzen und beobachtet die Reaktion des Körpers.

Bildgebende Verfahren, wie CT, MRT oder Ultraschall, machen krankhafte Veränderungen an den Hormondrüsen und Gehirn sichtbar. Mittels MRT lassen sich beispielsweise Hypophysentumoren sehr gut darstellen.

Behandlungsgrundsätze in der Neuroendokrinologie

Die Ursachen für neuroendokrinologische Störungen sind vielfältig.

Dabei unterscheiden Mediziner allgemein zwischen:

  • Unterfunktion und
  • Überfunktion

Bei einer Unterfunktion bildet der Körper zu wenige oder keine Hormone. Dann sind alle von diesem Hormon gesteuerten Regelkreisläufe betroffen.

Bei einer Überfunktion erfolgt eine pathologisch erhöhte Ausschüttung, meist aufgrund von strukturellen Veränderungen des Gewebes. Alle Störungen können sowohl nur ein bestimmtes oder mehrere Hormone betreffen.

Unter Umständen entsteht eine neuroendokrine Unterfunktion durch einen Gendefekt und ist damit angeboren. Die Therapie besteht in der Verabreichung der fehlenden Hormone, um die daraus resultierenden Beeinträchtigungen zu verhindern. 

Je nachdem, um welchen Gendefekt es sich handelt, ist die Therapie nur vorübergehend oder lebenslang nötig. Gleiches gilt, wenn ein Unfall oder eine Operation Gewebe zerstört hat.

Ursache für eine neuroendokrine Überfunktion der Hypophyse ist meist ein Tumor. In den meisten Fällen ist dies ein gutartiges Geschwulst. Die Behandlung hängt vor allem von Größe und Wachstum ab. 

Nimmt der Tumor schnell an Größe zu, ist eine Operation meist die beste Lösung. Dies gilt auch für eine Hypophysitis, eine Entzündung der Hirnanhangdrüse. Unter Umständen reicht aber auch eine medikamentöse Therapie aus.

Nicht zuletzt sind Neuroendokrinologen wichtige Ansprechpartner für eine transsexuelle Geschlechtsumwandlung. Sie kontrollieren und steuern die Hormontherapie. Sie sorgen dafür, dass die Umstellung der Geschlechtshormone für den Körper möglichst schonend und ohne Zwischenfälle abläuft.

GeschlechtsumwandlungEndokrinologen nehmen die geschlechtsangleichende Hormontherapie vor @ Matthias Stolt /AdobeStock

Die Aus- und Weiterbildung zum Neuroendokrinologen

Neuroendokrinologen verfügen häufig über einen Facharzttitel für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie. 

Sie können auch einen Facharzt für Neurologie und uns zusätzliche Weiterbildungen auf dem Gebiet der Neuroendokrinologie absolviert haben.

Sind chirurgische Eingriffe erforderlich, sind die behandelnden Ärzten meist:

Eine Facharztausbildung kann nach abgeschlossenem Medizinstudium ein in Deutschland zugelassener Arzt absolvieren. Hierfür ist je nach fachlicher Ausrichtung eine fünf- bis sechsjährige Tätigkeit notwendig. In dieser Zeit muss der Arzt eine festgelegte Anzahl an diagnostischen Verfahren und Therapien durchgeführen.

Dadurch erlangt der Experte für Neuroendokrinologie fundierte Kenntnisse in allen Bereichen der Diagnose und Behandlung von neuroendokrinen Krankheiten.

Quellen

  • Bundesärztekammer (2013) (Muster-)Weiterbildungsordnung 2003 in der Fassung vom 28.06.2013. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/20130628-MWBO_V6.pdf
  • Blossey HC. (2018) Endokrine und Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie. In: Berlit P. (eds) Klinische Neurologie. Springer Reference Medizin. Springer
  • Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) et al. (2019) Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: S3-Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung. AWMF-Register-Nr. 138-001. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/138-001l_S3_Geschlechtsdysphorie-Diagnostik-Beratung-Behandlung_2019-02.pdf
  • Machein M, Gumpp V (2014) Hypophysentumor. Klinisches Krebsregister Kodierhilfe. Universitätsklinikum Freiburg. https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/09_zentren/cccf/pdf/cccf_kkr_kodierhilfe_hypophysentumor.pdf

 

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