Die Kinderkardiochirurgie (auch Kinderherzchirurgie) umfasst alle operativen Behandlungsformen von angeborenen Herzfehlern. Genau wie die Herzchirurgie ist die Kinderherzchirurgie eine junge Medizinrichtung.
Revolutioniert hat die Kinderherzchirurgie den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Diese übernimmt nicht nur bei Operationen am offenen Herzen die Funktion von Herz und Lunge. Die Herz-Lungen-Maschine ist aus dem heutigen Operations Alltag der Kinderherzchirurgie nicht mehr wegzudenken.
Doch auch neue operative Techniken, besseres Nahtmaterial und keimfreie Bedingungen ließen die Sterblichkeitsrate der kleinen Patienten weiter sinken. Generell neigen Ärzte heute eher zu einer frühen Kinderherzchirurgie, um angeborene Herzfehler zu korrigieren.
Herzfehler sind die häufigsten angeborenen Fehlentwicklungen bei Kindern. In Deutschland sind pro Jahr etwa 5.000 - 6.000 Neugeborene betroffen. Obwohl sich die vorgeburtliche Diagnostik verbessert, verringert sich die Zahl der Kinder mit Herzfehlern nicht.
Ein Herzultraschall kommt zum Einsatz, um angeborene oder erworbene Herzfehler bzw. Herzerkrankungen abzuklären @ liubovyashkir /AdobeStock
Eine frühe Diagnose und optimierte Geburts- und Behandlungspläne erhöhen die Überlebenschancen auch bei schwersten Herzfehlern. Die Kinderherzchirurgie ist mittlerweile ein Spezialgebiet innerhalb der Herzchirurgie.
In Deutschland existieren einige Zentren für Kinderherzchirurgie. Nicht jedes Klinikum bietet allerdings eine Kinderherzchirurgie an.
Sehr oft lassen sich bei Säuglingen und Kindern Herzfehler im Bereich der Herzscheidewand finden. Dies können kleinere oder größere Wanddefekte sein, die zu Mischblut in den Vorhöfen oder den Herzkammern führen.
Mischblut bedeutet, dass sich aufgrund des Defekts sauerstoffarmes Blut aus dem Körper mit sauerstoffreichem Blut aus den Lungen vermischt.
Symptome und Operationsindikation
Je nach Größe des Scheidewand Defektes treten unterschiedlich starke Symptome auf. Bei größeren Löchern kommt es zum Mischblut und damit zu einer herabgesetzten Sauerstoffversorgung des Körpers. Dies äußert sich z. B. in einer veränderten Hautfarbe und in mangelnder Belastbarkeit.
Hier kann die Kinderherzchirurgie helfen, den Defekt operativ zu verschließen. Kleinere Defekte können dagegen über Jahre hinweg unerkannt und unbemerkt bestehen. Herzfehler lassen sich meist über EKG, Herzkatheter oder andere bildgebende Verfahren diagnostizieren.
Der Arzt kann dann die beste Vorgehensweise mit den Eltern besprechen. Nicht jeder Herzfehler ist gleich ein Fall für die Kinderherzchirurgie.
Viele der kleineren Scheidewanddefekte müssen Sie zunächst nur regelmäßig echokardiographisch kontrollieren lassen. Bei Säuglingen und Kindern verschließen sich viele Löcher in der Trennwand zwischen rechter und linker Herzhälfte von allein. Sie benötigen keinen Eingriff.
Bleibt ein Loch bestehen, so ist dies meist kein Problem. Noch im Kleinkind- oder Jugendalter lassen sich Herzfehler dieser Art ohne großes Risiko behandeln.
Erfolgt jedoch keine rechtzeitige Behandlung, drohen schwerwiegende Komplikationen, wie z. B.:
Ein häufiger Wanddefekt ist der Scheidewanddefekt zwischen rechter und linker Herzkammer. Die Operation folgt einem standardisierten Schema und zeichnet sich durch ein geringes Komplikationsrisiko aus.
Beim Scheidewanddefekt fließt Blut aus der linken in die rechte Herzkammer, was zu einer Überlastung des linken Herzens und der Lunge führt @ Kadmy /AdobeStock
Ablauf der Operation eines Scheidewanddefekts
Zuerst öffnen Ärzte den Brustkorb am Brustbein. Die Herz-Lungen-Maschine übernimmt gleichzeitig den Kreislauf und ersetzt Herzschlag und Atmung.
Ärzte legen für die Dauer der Operation das Herz still und öffnen den rechten Vorhof des Herzens. Über die dortige Herzklappe (Trikuspidalklappe) dringt der Arzt in die Herzkammer vor. Er verschließt den Defekt mit mehreren Nähten.
Bei dieser Operation lassen sich ebenfalls andere, ähnlich geartete Fehlbildungen behandeln und verschließen. Je nach Lage des Defektes muss die Kinderherzchirurgie verschiedene Wege bereithalten, um in das Herz vorzudringen.
Alternative Wege sind über das linke Herz (Pulmonalklappe) oder direkt über die Aortenklappe in die linke Herzkammer. In seltenen Fällen öffnen Ärzte die rechte Herzkammer über einen Einschnitt.
Nach der Kinderherzchirurgie hat das Kind sehr hohe Chancen auf ein gesundes Leben mit einem funktionierenden Herzen. Dennoch erfolgt gerade anfangs noch eine sehr enge Verlaufskontrolle.
Schwere Herzerkrankungen wirken sich meist negativ auf die Herzfunktion aus. Deshalb ist es wichtig, möglichst früh mithilfe der Kinderherzchirurgie operativ zu korrigieren.
Bei korrigierbaren Herzfehlern wenden Herzchirurgen die „heilende Operation" innerhalb des ersten Lebensjahres an. Mittlerweile sind je nach Herzfehler auch Operationen innerhalb der ersten drei Lebensmonate durchführbar.
Nach erfolgreicher Behandlung ist eine psychisch und physisch annähernd normale Entwicklung möglich. Auch Folgeschäden durch den schweren Herzfehler lassen sich so vorbeugen.
Unbehandelt können beispielsweise eine Herzinsuffizienz und Herzschwäche drohen. Im schlimmsten Fall bleibt nur ein Kunstherz, das jedoch nur für eine Übergangszeit im Körper verbleiben kann.
Ein geeignetes Spenderherz zu finden ist oft langwierig und häufig aussichtslos. Die frühzeitige Korrektur der Herzfehler ist deshalb der bessere Weg für das weitere Leben des Kindes.
Zu den gängigsten Therapieoptionen in der Kinderherzchirurgie gehört die Herzklappenoperation. Heute lassen sich viele schwierige Herzfehler durch eine perfekte Rekonstruktion korrigieren. Körpereigenes Gewebe ist haltbar und wachstumsfähig.
Gerade im Kinder- und Jugendalter verändern sich die Proportionen und das Gewebe des Körpers noch deutlich. Eine Klappenreparatur ist deshalb dem Herzklappenersatz vorzuziehen.
Die meisten, wenn nicht sogar alle Kliniken, streben bei Klappenoperationen die Rekonstruktion an. Dies hat nachgewiesenermaßen Vorteile für Herzfunktion und Lebensqualität.
Beim Klappenersatz müssen Ärzte oft persönliche Lösungen für junge Patienten suchen und finden. Die sportliche Aktivität, eine geplante Schwangerschaft oder Pflegebedürftigkeit infolge einer körperlichen/geistigen Behinderung hat ebenso Einfluss auf die Wahl der Prothese.
Ersatzklappen aus körpereigenem Material kommen in der Kinderherzchirurgie am häufigsten für den Pulmonalklappenersatz zum Einsatz.
Aortenklappenrekonstruktion und Aortenklappenersatz
Daneben müssen Ärzte die Aortenklappe oft operieren. Auch dafür müssen sie den Brustkorb am Brustbein entlang öffnen, um das Herz freilegen zu können.
Nachdem das Herz stillgelegt ist und die Herz-Lungen-Maschine die Arbeit übernommen hat, öffnen sie die Aorta. Über diesen Schnitt lässt sich die Aortenklappe im linken Herzen erreichen und gezielt wiederherstellen.
Hierfür lassen sich zwei Operationsverfahren in der Kinderherzchirurgie unterscheiden:
- Bei der Ross-Operation reparieren Ärzte die Aortenklappe mit Material der Pulmonalklappe
- Die David-Operation hingegen ersetzt die Aortenwurzel und erhält dabei die Aortenklappe
Die Aortenklappenrekonstruktion hat in der Regel eine gute Prognose. Ihre Haltbarkeit hängt von der Komplexität und dem Ergebnis der eigentlichen Korrektur ab.
Die beste Wirkung erzielt sie, wenn Ärzte die Herzklappe dreizipflig (wie das Original) rekonstruieren.
Damit sich nach einer Herzklappenoperation keine Blutgerinnsel bilden, bekommen Kinder Gerinnungshemmer (Aspirin, 2mg/kg) für drei Monate.
Erhält der Patient eine mechanische Klappe (kein körpereigenes oder fremdes Spendermaterial), besteht zwar eine unbegrenzte Haltbarkeit. Jedoch hat der Patient auch eine lebenslange Blutgerinnungshemmung, da sich an den künstlichen Oberflächen des Herzklappenersatzes Ablagerungen bilden können.
Über Jahre hinweg besteht dann ein nicht zu unterschätzendes Risiko für Blutungen oder Gerinnselbildungen.
Erhält der junge Patient eine Bioprothese, ist die Gerinnungshemmung bei normaler Kammerfunktion und Sinusrhythmus nur drei Monate notwendig.
Junge Patienten bauen diese Klappen jedoch schnell ab, was einen erneuten Ersatz und somit eine neuerliche Operation erforderlich macht.
Nach einer Ross-Operation ist keine Gerinnungshemmung erforderlich. Mittelfristig sind die Erfahrungen auch im Erwachsenenalter gut.
Im Langzeitverlauf kommt es jedoch häufig erneut zur Aortenklappeninsuffizienz (Autograft).
Eine derzeit noch in der Erprobungsphase befindliche Möglichkeit der Kinderherzchirurgie sind die mitwachsenden Bioklappen. Diese Klappen bestehen auf der Basis von zellfreien Homografts (menschliche Klappen). Sie befinden sich derzeit noch im Test. Über langfristige Erfolge lässt sich derzeit noch keine Auskunft geben.
Allerdings zeigten bisherige Versuche mit Schweineklappen als biologischem Ersatz eine geringere Haltbarkeit als Homografts oder andere Bioklappensysteme. Die Verwendung solcher mitwachsender Bioklappen ist eine der großen Zukunftsvisionen der Kinderherzchirurgie.
Mitralklappenoperation und Mitralklappenersatz in der Kinderherzchirurgie
Auch bei dieser Operation öffnet der Chirurg das Brustbein, um das Herz freizulegen. Die Herz-Lungen-Maschine übernimmt die Arbeit des stillgelegten Herzens und der Lunge, um Kreislauf und Atmung aufrechtzuerhalten.
Ärzte öffnen bei dieser Operation den linken Vorhof des Herzens, um die Mitralklappe behandeln zu können. Bei einer Mitralklappen-Verengung versucht der Operateur diese zu beheben. Und zwar durch Einschneiden oder Ausdünnen der Segel-
Eine zu schwach arbeitende (insuffiziente) Mitralklappe muss der Arzt durch ein geeignetes Implantat oder Autograft ersetzen. Für den Mitralklappenersatz bietet sich auch bei Kindern die mechanische Prothese an.
Je älter ein Kind wird, desto öfter können Kombinationen aus einem bereits korrigierten Herzfehler und neu erworbenen Defekten auftreten. Deshalb müssen sich viele Operierte später erneut einer Kinderherzchirurgie unterziehen.
Vernarbungen und wiederholte Belastung für Körper und Geist sind eine große Herausforderung der modernen Kinderherzchirurgie. Diese stetig wachsende und größte Patientengruppe mit angeborenem Herzfehler ist nicht einheitlich.
Um die Belastung für Kinder und Jugendliche zu verringern, erfolgen heute alle Vorhofseptum-Operationen als minimal-invasive Operationen. Hier schneiden Ärzte die Haut rechts unterhalb der linken Brust ein. Über einen Katheter beheben sie das Loch im Septum.
Im Säuglings- und Kleinkindalter schonen Ärzte auch das Brustbein und öffnen es nur halb.
Besonders geeignet ist diese Operationsform bei:
- Vorhofseptumdefekt
- Ventrikelseptumdefekt oder
- AV-Kanal-Korrektur
Erfolgt die Behandlung von schweren Herzfehlern bereits im Säuglingsalter, entwickeln sich die Kinder meist anschließend normal.
Um angeborene Herzfehler schon im Säuglingsalter zu korrigieren, benötigen Ärzte modernste Operationstechniken und sehr viel Erfahrung.
Eine besondere Herausforderung ist die Transposition der großen Gefäße am Herzen. Dabei sind die Lungenarterie (Arterie, die vom Herzen zur Lunge abzweigt) und die Aorta (große Körperschlagader) vertauscht „angeschlossen": Die Lungenarterie schließt bei diesen Kindern dort an, wo eigentlich die Aorta anschließen sollte. Die Aorta zwingt jedoch in die Lunge ab.
Dadurch gelangt kaum sauerstoffreiches Blut in den Körper. Ohne Kinderherzchirurgie würden diese Neugeborenen bereits kurz nach der Geburt sterben. Der Sauerstoffaustausch erfolgt unbehandelt in den ersten Lebenstagen über postnatale Shunt Öffnungen. Das sind Fenster oder Öffnungen im Herzen, die sich erst einige Zeit nach der Geburt verschließen.
Die Transposition der großen Gefäße korrigieren Ärzte heutzutage mit einer Switch-Operation. Dabei lösen sie die große Körperschlagader, die Aorta und die Lungenschlagader (Pulmonalis) vom Herzen. Anschließend vertauschen sie sie und vernähen sie in normaler Lage mit dem Herzen.
Ablauf der arteriellen Switch-Operation
Ärzte öffnen den Brustkorb bei dieser Operation entlang des Brustbeins und legen das Herz frei. Nachdem das Herz still steht und die Herz-Lungen-Maschine den Kreislauf aufrechterhält, kann der Arzt die Pulmonalarterie und die Aorta abtrennen.
Nach dem Vertauschen der Gefäße nähen die Ärzte sie umgehend wieder an der richtigen Stelle am Herzen an. Sie müssen auch die Abgänge der Herzkranzgefäße überprüfen, um den Herzmuskel später zu ernähren und mit Sauerstoff zu versorgen.
Diese Operation ist ein echter Meilenstein der Kinderherzchirurgie, denn dadurch ist eine sonst tödliche Fehlbildung des Herzens behandelbar.
Bei besonders schweren Herzfehlern ist eine Korrekturoperation mit getrenntem System- und Lungenkreislauf und zwei Herzpumpkammern unmöglich.
Hier arbeiten Ärzte in mehreren Operationsschritten, um den Patienten zu stabilisieren und die Lebensqualität zu steigern.
Zuerst sichern die Ärzte die Körper- und Lungendurchblutung, meist durch Mischblut und später ohne Herzkammerbeteiligung.
Dabei leiten sie das sauerstoffarme Blut direkt aus den großen Körpervenen in die Lungenschlagader (Fontan Zirkulation). So umgehen und entlasten sie das Herz. Sie leiten das Blut aus der unteren Hohlvene am Herzen vorbei zur Lungenschlagader.
Das Blut fließt nicht mehr direkt durchs Herz. Dadurch verbessert sich der Blutfluss, sodass weniger Herzrhythmusstörungen auftreten und eine höhere Lebensqualität möglich ist.