Neurovaskuläre Erkrankungen sind komplexe Erkrankungen des Blutgefäßsystems von Gehirn und Rückenmark. Bei diesem medizinischen Fachausdruck steht neuro für Gehirn und Rückenmark, vaskulär für das Blutgefäßsystem.
Es gibt sowohl akute, als auch chronische Formen. Da das Gehirn sehr empfindlich für sämtliche Schädigungsmechanismen ist, handelt es sich oft um Erkrankungen mit Zeitnot. Diese erfordern meist zügiges Handeln.
Allgemein gehören zur Gruppe der neurovaskulären Erkrankungen:
- Aussackungen der Gefäße (Aneurysmen)
- Blutschwämmchen (Kavernome)
- Kurzschlussverbindungen zwischen Schlagadern und Venen (arterio-venöse Fisteln)
- Gefäßengstellen (Stenosen und Verschlüsse)
Was ist das Besondere an Aussackungen der Gefäße (Aneurysmen)?
Aneurysmen, die in den Arterien des Gehirns (Hirnarterien) auftreten, heißen Gehirnaneurysmen bzw. zerebrale Aneurysmen @ p6m5 /AdobeStock
Aneurysmen sind bläschen- bzw. kugelähnliche Ausweitungen der Gefäße, die lebensbedrohliche Blutungen auslösen, wenn sie platzen.
Ruptur ist der medizinische Fachausdruck für das Platzen von Hohlorganen und Gefäßen. Ein erhöhter Blutdruck, insbesondere Blutdruckkrisen, sind Risikofaktoren für eine Ruptur.
Aneurysmen können prinzipiell jedes Gefäß betreffen, am häufigsten sind allerdings die Schlagadern (Arterien) betroffen. Bei einer Beteiligung von Arterien des Gehirns werden diese auch Hirnaneurysma genannt. Venöse Aneurysmen sind deutlich seltener und die Ruptur stellt eine Ausnahme dar.
Was sind Kavernome?
Beim Kavernom handelt es sich um eine schwammartige Gefäßneubildung, die in Gehirn sowie Rückenmark auftreten kann. Genau genommen ist es eine gutartige Tumorerkrankung der Blutgefäße. Dabei kommt es zur Ausbildung von zahlreichen knotenartigen Gebilden und Kammern.
So lassen sich auch die medizinischen Bezeichnungen Kavernom (Kaverne = Kammer) bzw. kavernöses Hämangiom (Häm = Blut; Angiom = gutartiger Gefäßtumor) verstehen.
Die Ruptur von Kavernomen stellt eine seltene Komplikation dar. Kavernome sind viel seltener als Aneurysmen und gehören zu den arteriovenösen Malformationen (AVM). Dies ist ein Überbegriff für sämtliche Gefäßmissbildungen, bei der es zur Ausbildung von „Arterien-Venen-Knäuel“ bezeichneten Strukturen kommt.
Kavernome sind Gefäßmissbildungen, die häufig erst durch Krampfanfälle auffallen @ Naeblys /AdobeStock
Was versteht man unter duralen arteriovenösen Fisteln?
Unter arteriovenösen Fisteln (AVF) allgemein versteht man Kurzschlussverbindungen zwischen Hoch- und Niederdrucksystem.
Zum Hochdrucksystem gehören die Schlagadern (medizinisch: Arterien), zum Niederdrucksystem die Venen. Über die Fistel kommt es zu einem Blutfluss von den Schlagadern direkt in die Venen.
Das führt zu Durchblutungsstörungen der nachfolgenden Gewebe. Bei den duralen AVF handelt es sich um spezielle Gefäßmißbildungen in Gehirn und Rückenmark, die jedoch sehr selten vorkommen.
Was sind Gefäßverschlüsse im Gehirn?
Zu Gefäßverschlüssen im Gehirn kann es durch Engstellen oder verschleppte Gerinnsel kommen. Im Vordergrund steht meist ein Ereignis wie ein Schlaganfall. Dieser kann je nach Größe des verschlossenen Gefäßes wenig beeinträchtigen oder schwerwiegende Komplikationen auslösen.
Gerinnsel entstehen insbesondere bei Herzrhythmusstörungen, Engstellen in den meisten Fällen durch Gefäßwandverkalkungen (medizinisch Atherosklerose).
Vergleich gesunde Arterie, Arterie mit behindertem Blutfluss und Arterie mit gestörtem Blutfluss @ Axel Kock /AdobeStock
Die unterschiedlichen Erkrankungen des neurologischen Systems gehen mit verschiedenen Symptomen einher. So zeichnet sich ein Aneurysma vorrangig durch einen starken Kopfschmerz aus.
Bei einem Schlaganfall sind die folgenden Symptome typisch:
- Sehstörung
- Schwindel
- Gang-, Gleichgewicht- und Koordinationsstörungen
- Taubheit oder Schwäche, meist einseitig in Armen, Beinen oder im Gesicht
- Sprachstörungen
Eine arteriovenöse Malformation (AVM) macht sich bemerkbar durch
- Symptome einer Hirnblutung
- Kopfschmerz
- Tinnitus
- Krampfanfälle oder
- Schlaganfallähnliche Erscheinungen
Wenn Kavernome Symptome hervorrufen, handelt es sich häufig um Blutungen und Krampfanfälle.
Die häufigste Art der neurovaskulären Erkrankungen ist der Schlaganfall, auch als Hirninfarkt bezeichnet. Ein Schlaganfall sorgt für eine schlechte Durchblutung des Gewebes im Gehirn. Dies kann durch einen Verschluss oder eine Verengung der Gefäße zustande kommen.
Das Schlaganfall-Risiko steigt durch:
Aneurysmen treten meist sporadisch auf. Das Gegenteil von sporadisch ist das familiär gehäuft auftretende Aneurysma, das allerdings seltener vorkommt.
Ungefähr 5 Prozent der Menschen leiden unter einem Aneurysma im Gehirn. Von diesen haben 30 Prozent der Patienten Aneurysmen an mehreren Stellen.
Hier sind insbesondere die große Körperschlagader (Aorta) sowie die Kniekehlenschlagader zu nennen. Hin und wieder treten Aneurysmen als Begleiterscheinung einer polyzystischen Nierenerkrankung auf.
Bei vielen Erkrankungen neurovaskulärer Art liefern die geschilderten Beschwerden bereits wichtige Hinweise auf die Art der Krankheit. Diese werden während des Anamnese-Gesprächs durch gezielte Fragestellungen erhoben. Auch eine familiäre Vorbelastung müssen Mediziner zur Verdachtserhärtung heranziehen.
Ein Aneurysma ist in einem speziellen Screening erkennbar und so in manchen Fällen eine Zufallsdiagnose. Empfehlenswert ist dieses Aneurysma-Screening, wenn zwei direkte Verwandte diese Erkrankung haben.
Die MR-Angiographie (Magnetresonanzangiographie) ist eine besondere Form der Magnetresonanztomographie (MRT). Dieses bildgebende Verfahren zeigt die Blutgefäße auf und macht auf neurovaskuläre Erkrankungen aufmerksam.
Auch Kavernome lassen sich bei Kernspinuntersuchungen gut und zuverlässig darstellen. Bei erhärtetem Verdacht ist meistens ebenfalls ein MR-Angiographie das Diagnostikum der Wahl.
Auch bei Schlaganfälle und den dazu gehörenden Gefäßverschlüssen kommt eine Kernspinuntersuchungen zum Einsatz. Eine wichtige Alternative zur Kernspintomographie ist die Computertomographie (CT), welche ebenfalls unter Verwendung von Kontrastmittel die besten Ergebnisse liefert.
Bei der Verwendung von Kontrastmittel sprechen Mediziner von CT-Angiographie (CTA). Das bei der CTA verwendete Kontrastmittel weist allerdings mehr Nebenwirkungen auf als das bei der MRA. Es kann dabei zu Nierenproblemen und allergischen Reaktionen kommen.
Wer führt die Behandlung neurovaskulärer Erkrankungen durch?
Bei vielen neurovaskulären Krankheiten ist ein operatives Verfahren angesagt, um den Störfaktor zu entfernen oder die Gefäßveränderungen zu beseitigen. Es gibt jedoch zahlreiche verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die sich nach der Ausprägung der Krankheiten richten.
Das Fachgebiet für Erkrankungen des Gefäßsystems im Gehirn ist die vaskuläre Neurochirurgie. Da es sich hier um die Behandlung höchst komplexer Krankheitsbilder handelt, sollten mehrere Fachbereiche zusammenarbeiten.
Dazu gehören:
Wenn Kinder unter neurovaskulären Erkrankungen leiden, ist die pädiatrische Neurochirurgie (Kinderneurochirurgie) mit einzubeziehen. Diese ist Ansprechpartner für die operative Behandlung und die psychologische Betreuung.
Verengte Gefäße (Stenosen) lassen sich durch einen Stent, genau genommen eine Gefäßstütze aus Metall oder Kunststoff, offenhalten. Dies ist vor allem bei Schlaganfällen eine weit verbreitete Methode.
Liegt bei Patienten eine Gefäßaussackung (Aneurysma) vor, entscheiden Ärzte je nach Größe und Wachstumsgeschwindigkeit individuell.
Eine weit verbreitete Methode zur Behandlung ist das endovaskuläre Coiling. Dabei führen Ärzte über einen Katheter Metallspiralen (Coils) ein und legen sie dort ab. Ziel ist, dass das Aneurysma kein Blut mehr bekommt. Das Risiko einer lebensbedrohlichen Ruptur ist danach geringer.
In einigen Fällen ist das Coiling nicht erfolgreich und eignet sich nicht. Daher kommt auch mitunter die offen-operative Ausschaltung der Aneurysmen zum Einsatz. Dabei ist allerdings eine Vollnarkose sowie die Eröffnung der Schädeldecke notwendig. Die endovaskuläre Therapie hingegen findet unter örtlicher Betäubung statt.
Bei einer AVM kommt eine mikrochirurgische Operation infrage, wobei es sich hier um einen möglichst minimalen operativen Eingriff handelt.
Vor allem bei AV-Fisteln kommen mikrochirurgische Operationsverfahren bevorzugt zum Einsatz. Die Eröffnung von Schädel oder Wirbelkanal erfolgt über kleine Schnitte, damit das operative Zugangstrauma so gering wie möglich ist.
Auch endovaskuläre Methoden sind verfügbar und weisen ähnlich gute Ergebnisse auf.
Die schwerwiegendste Komplikation einer neurovaskulären Operation ist die Verletzung von Nervengewebe. Daher ist ein guter Einblick in das Operationsgebiet von Gehirn oder Wirbelkanal immens wichtig. Daher kommen spezielle Operationsmikroskope zum Einsatz.
Das Neuromonitoring beispielsweise macht es mit akustischen und optischen Reizen möglich, Nerven sicher zu überwachen. Das minimiert das Risiko von Verletzungen des Nervensystems bei einer Operation.
Der Behandlungserfolg bei neurovaskulären Krankheiten hängt von vielen Faktoren ab, etwa:
- Wie alt ist der Patient?
- Wie früh erfolgt die Behandlung?
- Und um welche Form der neurovaskulären Erkrankung handelt es sich?
Bei Schlaganfällen, Aneurysmen und ähnlichen Erkrankungen kommt es stark auf den Zeitpunkt des Behandlungsbeginn an.
Diese Krankheiten sind Notfälle, bei denen jede Sekunde zählt. Zögern Sie bei entsprechenden Symptomen nicht, einen Krankenwagen zu rufen, damit die Prognose möglichst günstig ausfällt.